Interview mit Carlos Quinto
Mitglied des Zentralvorstandes der FMH
Auf der FMH-Website steht: «Die FMH verfolgt die gesundheitsfördernden und präventiven Bestrebungen im Bereich der nichtübertragbaren Krankheiten aktiv mit.» Was heisst das konkret?
Das FMH-Departement Public Health und Gesundheitsberufe war und ist in enger Zusammenarbeit mit den Fachgesellschaften, medizinischen Dachverbänden und weiteren Organisationen im Bereich der NCD-Strategie aktiv. Auf operativer Ebene ist das durch Gesundheitsförderung Schweiz finanzierte Projekt PEPra (Prävention mit Evidenz in der Praxis) bei uns angesiedelt. Die Abteilung Public Health der FMH schafft mit PEPra ein koordiniertes Gesamtpaket für evidenzbasierte Prävention in der ambulanten medizinischen Grundversorgung (Arztpraxis). Weiter ist die Abteilung Public Health mit weiteren Projekten eng vernetzt, welche durch die Projektförderung Prävention in der Gesundheitsversorgung PGV finanziert sind.
Mit der NCD-Strategie sollte der Bereich Prävention in der Gesundheitsversorgung besser verankert werden. Wie ist dies in Ihrer Wahrnehmung bisher gelungen?
Durch den vorangegangenen politischen Prozess in der Erarbeitungsphase der NCD-Strategie wurde die Prävention in der Gesundheitsversorgung in die Agenden diverser Stakeholder aufgenommen, was auch aus Sicht der Ärzteschaft zu begrüssen ist. Eine bessere Verankerung kann jedoch zum heutigen Zeitpunkt weder bestätigt noch dementiert werden. Wichtig für Akzeptanz und Commitment bei der Ärzteschaft ist ein adäquater Einbezug der Ärzteschaft bereits zu Beginn der Entwicklung der Massnahmen. Gefragt und umgesetzt werden langfristig angelegte Massnahmen mit Praxisbezug, die eine interprofessionelle Arbeitsweise fördern. Ob sich diese Bestrebungen zur Prävention zu einem festen Bestandteil der Grundversorgung entwickeln, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.
Haben die beiden Strategien dazu geführt, dass auch die Bestrebungen für die psychische Gesundheit gestärkt wurden?
Psychische Erkrankungen gehören zu den häufigsten (gemäss Obsan sind 20% der Bevölkerung betroffen) und einschränkendsten Krankheiten, die sich auf alle Lebensbereiche auswirken und hohe volkswirtschaftliche Kosten verursachen. Die von den Strategien angestrebte Koordination der verschiedenen Aktivitäten in den Bereichen Gesundheitsförderung, Prävention und Früherkennung begrüssen wir aus Public Health-Sicht. Da die beiden Strategien jedoch den Begriff psychische Gesundheit nicht explizit enthalten, zeigte sich in unserer Wahrnehmung in den letzten Monaten, dass der Bereich psychische Gesundheit etwas in Vergessenheit geraten ist. Und dies obwohl psychische Krankheiten zu den häufigsten nichtübertragbaren Krankheiten gehören. Es muss deshalb auch zukünftig ein Anliegen sein, bereits bei der Ausarbeitung von Strategien aber auch bei der Umsetzung der Massnahmen, das Thema psychische Gesundheit entsprechend wahrzunehmen und einzubeziehen.
Die Strategie Sucht hat u.a. das Ziel, Aus- und Weiterbildungen von Fachpersonen in der Suchtmedizin zu fördern. Welche Angebote gibt es für die Ärzteschaft?
Die Aus- und Weiterbildung der Ärztinnen und Ärzte ist im Studium der Humanmedizin sowie den Weiterbildungsprogrammen zur jeweiligen Fachärztin oder zum Facharzt geregelt. Abhängigkeitserkrankungen werden als Schwerpunkt beim Facharzttitel Psychiatrie und Psychotherapie als vertiefendes Teilfachgebiet angeboten. Aufgrund des äusserst vielfältigen und umfangreichen Fortbildungsangebots für Ärztinnen und Ärzte existiert ein Überblick über die Angebote der Suchtmedizin nicht. Seitens FMH werden wir bestimmte Bereiche der Suchtmedizin im Fortbildungsangebot von PEPra integrieren und der Förderung von Angeboten in diesem Bereich so Rechnung tragen.
Ärztinnen und Ärzte spielen eine wichtige Rolle bei Früherkennung von Sucht. Wie werden sie dafür sensibilisiert?
Auch hier ist das Projekt PEPra zu nennen: Ärztinnen und Ärzte sprechen Patientinnen und Patienten möglichst systematisch und evidenzbasiert auf für sie relevante Präventionsthemen an. Sie motivieren sie, ein «Präventionsprojekt» in Angriff zu nehmen (Risikofaktoren minimieren / Schutzfaktoren stärken) und beraten, unterstützen und begleiten sie dann in der Umsetzung. Zentrales Instrument der Ärzteschaft ist das «Motivational Interviewing (MI)» als klientenzentrierter Beratungsansatz mit dem Ziel, die intrinsische Motivation zur Verhaltensänderung zu stärken. MI wird in ärztlichen Fortbildungen vertieft vermittelt.