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Patienten-Ärzte-Situation: Die Ärztin steht und lächelt die sitzende Patientin an, ihre linke Hand drückt die linke Schulter der Patientin.

Die Zusammenarbeit zwischen betreuenden Angehörigen und Fachpersonen fördern

Betreuende Angehörige übernehmen eine wichtige Rolle in der Versorgung von kranken und pflegebedürftigen Personen. Sie wünschen sich, dass Fachpersonen sie in dieser wertvollen Arbeit unterstützen und als kompetente Partner wahrnehmen. Neue Impulse des BAG zeigen, wie das in der Praxis gelingt.

Die Tochter, die neben ihrem Job ihren 85-jährigen Vater nach einem Sturz zu Hause betreut; die Schwester, die für die jüngeren Geschwister kocht; der Nachbarsjunge, der für das ältere Ehepaar einkaufen geht; die Mutter, die ihr krebskrankes Kind zur Therapie fährt. Obwohl sie sich selbst womöglich nicht so bezeichnen würden – sie sind betreuende Angehörige. In der Schweiz gibt es rund 600 000 Personen, die solche Betreuungsaufgaben übernehmen. Zweidrittel davon sind berufstätig. Vorwiegend betreuen Personen zwischen 50 und 65 Jahren nahestehende Angehörige. Häufig sind das ihre Eltern, die Lebenspartnerin oder der Lebenspartner. Das zeigt eine Bevölkerungsbefragung, welche im Rahmen des Förderprogramms «Entlastungsangebote für betreuende Angehörige 2017-2020» durchgeführt wurde.

Angehörige wünschen sich mehr Entlastung und Unterstützung

Viele Angehörige nehmen ihre Betreuungsaufgaben nicht alleine wahr. Sie haben Unterstützung von weiteren Personen aus ihrem Umfeld oder beanspruchen professionelle Angebote wie etwa Spitexleistungen, Haushalts- und Reinigungshilfen oder Tages- und Nachstrukturen. Allerdings zeigen Forschungsergebnisse aus dem Förderprogramm auch, dass rund die Hälfte der betreuenden Angehörigen kein passendes Entlastungs- oder Unterstützungsangebot findet. Oft auch, weil sie nicht wissen, wo suchen oder nicht über die dafür notwendige Zeit verfügen. Hier können Fachpersonen aus dem Gesundheits- und Sozialwesen eine entscheidende Rolle übernehmen. Sie sind wichtige Ansprechpersonen für die betreuenden Angehörigen und können sie frühzeitig auf passende Unterstützungs- und Entlastungsangebote hinweisen. Dieses Potenzial gilt es, noch stärker auszuschöpfen.

Fachperson als wichtige Ansprechpartner für Angehörige – und umgekehrt

Wichtig ist auch, dass die Fachpersonen die Expertise der Angehörigen erkennen und im Hinblick auf eine individuell angepasste Versorgung zusammenarbeiten. Formen der Zusammenarbeit zwischen betreuenden Angehörigen und Fachpersonen hat eine Forschungsgruppe im Rahmen des Förderprogramms erstmals untersucht. Die Untersuchung zeigt: In der Praxis findet eine partnerschaftliche Zusammenarbeit noch wenig statt. Am häufigsten übernehmen Angehörige die Koordination und den Informationsaustausch zwischen Expertinnen und Experten aus Bereichen wie Psychologie, Hausarztmedizin oder Pflege (vgl. Abbildung 1). Diese Aufgabe ist wertvoll, weil eine gute Koordination über das Wohlergehen der Patientinnen und Patienten im Alltag entscheidet. Sie ist aber auch zeitintensiv und betreuende Angehörige müssen dafür oft viel Energie aufwenden. Dies kann als Belastung empfunden werden – insbesondere, wenn das Zeitbudget knapp ist oder Angehörige sich von Fachpersonen nicht anerkannt fühlen.

Modell A

Abbildung 1 (Quelle: sottas formative works (G08), 2020)

Wie funktioniert eine gute Zusammenarbeit?

Es gibt kein allgemeingültiges Rezept für die perfekte Zusammenarbeit. Untersuchungen haben aber gezeigt, dass das Gespräch mit Fachpersonen ein wichtiges Bedürfnis von betreuenden Angehörigen ist. Sie wünschen sich eine partnerschaftliche und zuverlässige Begleitung auf Augenhöhe. Viele Angehörige möchten auch stärker ins Fachpersonen-Team eingebunden werden. Das Forschungsteam, das sich im Rahmen des Förderprogramms mit dieser Thematik auseinandergesetzt hat, bezeichnet dieses Modell als interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Fachpersonen und Angehörigen (vgl. Abbildung 2). Dabei können betreuende Angehörige bei Entscheidungen mitreden und mitbestimmen. Sie nehmen in einem interprofessionellen Team eine gleichwertige Rolle ein wie Fachpersonen. Diese Form der Zusammenarbeit eignet sich besonders dann, wenn Angehörige in der Betreuung und Pflege sehr engagiert sind (z. Bsp. am Lebensende).

Modell D

Abbildung 2: Interprofessionalität mit Angehörigen (Quelle: sottas formative works (G08), 2020)

Spital Emmental: Angehörigenfreundliche Intensivstation

Die Intensivstation des Spitals Emmental zeigt, wie eine enge Zusammenarbeit mit Angehörigen aussehen kann. Durch verschiedene Angebote sind Angehörige eng in die intensivmedizinische Behandlung von Patientinnen und Patienten involviert. Beispielsweise ist der Angehörigenbesuch Teil des therapeutischen Konzeptes. Familie und Freunde profitieren von individuellen Besuchszeiten und es finden regelmässige Gespräche über den gesundheitlichen Zustand der nahestehenden Person statt. Angehörige können auch die Umgebung am Patientenbett mitgestalten, etwa mit Fotos, Bildern oder persönlichen Gegenständen. Solche Angebote für Angehörige tragen wesentlich zur Genesung von Patientinnen und Patienten bei.

Impulse für eine bessere Zusammenarbeit zwischen Angehörigen und Fachpersonen

Im Gesundheits- und Sozialwesen engagieren sich bereits viele Fachpersonen für Angehörige. Damit eine Zusammenarbeit in Zukunft noch besser gelingt, hat das BAG sogenannte Praxisimpulse verfasst. Darin wird aufgezeigt, wie Fachpersonen die Zusammenarbeit mit betreuenden Angehörigen institutionalisieren können, um so die Versorgungsqualität zu steigern.
Die Praxisimpulse richten sich an verschiedene Fachpersonen des Gesundheits- und Sozialwesens und widmen sich folgenden Fragestellungen:

  • Bildungsverantwortliche: Welche Kompetenzen brauchen Fachpersonen für die Zusammenarbeit mit Angehörigen? Eine wichtige Rolle spielt hierbei der Einbezug der Angehörigenthematik in die Aus- und Weiterbildung.
  • Führungs- und Fachpersonen: Wie kann die Zusammenarbeit mit Angehörigen institutionalisiert werden? Organisationen der Leistungserbringer und Fachverbände sind aufgefordert, die Zusammenarbeit zu etablieren, indem sie zum Beispiel Leitfäden zur Zusammenarbeit mit den betreuenden Angehörigen entwickeln und implementieren.
  • Fachpersonen der Pflege und Sozialarbeit: Wie kann die Zusammenarbeit mit Angehörigen konkret umgesetzt und der Unterstützungs- sowie Entlastungsbedarf erfasst werden? Wesentlich hierbei ist, dass Fachpersonen die Zusammenarbeit mit Angehörigen in den Berufsalltag integrieren können und den Unterstützungs- und Entlastungsbedarf frühzeitig erkennen.

Die Publikation beantwortet diese Fragen und zeigt auf, wie die Empfehlungen konkret in der Praxis umgesetzt werden können.

Weiterführende Informationen

Quellen

Brügger, S.; Sottas, B.; Rime, S.; Kissmann, S.; Keel, S.; Dell’Eva, E. (2020): Kompetente Kooperation von Fachpersonen im Gesundheits- und Sozialwesen mit betreuenden Angehörigen. Forschungsmandat G08 des Förderprogramms «Entlastungsangebote für betreuende Angehörige 2017–2020».Im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit, Bern.

Kaplan, C.; Jaks, R., Muller, F. (2020): Zusammenarbeit mit betreuenden Angehorigen. Impulse fur Bildungsverantwortliche sowie Fuhrungs- und Fachpersonen aus den Bereichen Pflege und Sozialarbeit aus dem Forderprogramm ≪Entlastungsangebote fur betreuende Angehorige 2017–2020≫. Im Auftrag des Bundesamts fur Gesundheit BAG, Bern.

Ricka, R.; von Wartburg, L.; Marta Gamez, F.; von Greyerz, S. (2020): Synthesebericht des Förderprogramms «Entlastungsangebote für betreuende Angehörige 2017–2020» (unveröffentlichte Version). Bundesamt für Gesundheit, Bern.

Kontakt

Facia Marta Gamez
Sektion Nationale Gesundheitspolitik

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