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«Es scheint sich der männliche Lebensstil durchgesetzt zu haben, und der orientiert sich an der bezahlten Arbeit.»

Edition No. 87
Jul. 2011
Male health

Interview Marie-Louise Ernst und René Setz Welche Sorgen drücken Männer, wie steht es um ihre Gesundheit, wo unterscheiden sie sich am meisten von den Frauen? Darüber reden die Expertin für Gender-Fragen im Suchtbereich und der Vorkämpfer für Männer­gesundheit.

spectra: Warum braucht es den Spezialfokus auf die Männergesundheit? Reicht es nicht, wenn wir von Menschengesundheit sprechen?

Marie-Louise Ernst: Dazu muss man sagen, dass das Interesse über lange Zeit der Männergesundheit galt, wenn auch nicht explizit. Zum Beispiel hat man zunächst in der Erforschung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen die Frauen nicht einbezogen und ausschliesslich bei den Männern geforscht. Ganz viele Gesundheitsforschungsergebnisse bauen also auf reinen Männerstudien auf. Dann kamen die Frauen und wehrten sich dagegen. So fing die Frauengesundheitsforschung an. Derzeit sind wir in einer dritten Phase. Man hat gemerkt, dass die Männerstudien aus den 60er-, 70er- und 80er-Jahren die gesellschaftliche Situation nicht miteinbezogen haben oder dass die Studienergebnisse nicht bezüglich der herrschenden männlichen Rollenbilder reflektiert wurden.
René Setz: Für mich ist der Fokus auf die Männergesundheit eine ganz bestimmte Betrachtungsweise, die nicht nur den medizinischen Aspekt, sondern auch die soziale Lebenslage der Männer miteinbezieht, wie es in der Frauenforschung schon länger der Fall ist. Für mich geht es auch um die Frage des «doing gender», wie sich diese zwei Geschlechter gegenseitig bedingen und wie sie zusammenspielen. Es sollte keine Grabenkämpfe geben. Die Lebenslage der Männer und Frauen muss im Kontext der Chancengleichheit ein Thema sein.


In seinem Song «Männer» singt Herbert Grönemeyer «Männer sind so verletzlich». Ist das so? Wie geht es dem «starken» Geschlecht heute physisch und psychisch?

R. Setz: Würde man heute einen zeitgemässen Song über die Männer schreiben, müssten wohl die Zeilen «Auf die Zähne beissen» und «Arbeit macht Männer» darin vorkommen. Der Mann erfährt in der Arbeit seinen persönlichen Sinn. 62 Prozent der Männer, die 2008 an der Studie «Männer in Bewegung» teilnahmen, stimmten dieser Aussage zu. Vor zehn Jahren waren es nur 42 Prozent. Die gleiche Studie zeigt auch, dass immer mehr Männer trotz Krankheit zur Arbeit gehen. Wenn man sich der Männergesundheit annimmt, muss man also vor allem auch die Arbeitsbedingungen thematisieren und verändern.
M.-L. Ernst: Wir müssen zwischen «Sex» und «Gender» unterscheiden. Mit «Sex» ist das biologische Geschlecht gemeint, mit «Gender» das sozial konstruierte Geschlecht mit Rollenbildern, Verhaltensmustern usw. Biologisch gesehen, scheinen die Männer das verletzlichere Geschlecht zu sein. Die Kindersterblichkeit ist bei den Jungen zum Beispiel höher als bei den Mädchen und die Lebenserwartung von Männern ist niedriger als jene der Frauen. In der «Gender»-Sicht gelten die Männer aber als das starke Geschlecht.

«Bei den Themen Kinderbetreuung, Karrieremöglichkeiten trotz Teilzeitarbeit, Job-Sharing und moderne Arbeitszeitmodelle braucht es eine Bewusstseinsveränderung in der Gesellschaft.»
Marie-Louise Ernst

R. Setz: Ich sehe das auch so. Das beweisen auch die Fakten. Männer verlieren doppelt so viele potenzielle Lebensjahre wie die Frauen. Das mit den Lebensjahren löst übrigens bei vielen Männern – abgesehen von Fachleuten – eine interessante Reaktion aus. Sie sagen dazu nur lapidar, dass sie auf diese letzten paar Lebensjahre gut verzichten könnten. Dies sei ja nicht die erfreulichste Lebensphase. Die Wahrnehmung betreffend Gesundheit ist also sehr unterschiedlich. Ein schönes Beispiel liefert der Männergesundheitsbericht der Stadt Wien. Die Fachleute sahen hinter all den Fakten ein grosses Potenzial für die Prävention. Die Präventionsprogramme boten sich geradezu reihenweise an: weniger rauchen, weniger trinken, weniger von ganz vielem. Dann fragte man die Männer, was sie denn brauchten, und sie antworteten, dass sie sich Unterstützung in puncto Veränderung der Arbeitsbedingungen wünschten. Die Fachleute erschrecken immer, wenn sie das hören. Denn es ist sehr schwierig, die Arbeitswelt zu verändern. Da macht man sich lieber für eine bessere Ernährung oder mehr Bewegung stark. Man bekämpft Symptome, statt die Rahmenbedingungen zu verändern.

Wo drückt denn der Schuh bei den Männern, und wo bei den Frauen?

R. Setz: Im deutschen Bericht «Männer in Bewegung» nannten 34 Prozent der befragten Männer die Gesundheit als grösste Sorge. Man will nicht krank werden. Die zweitgrösste Sorge ist mit 25 Prozent, dass man den Alltag nicht mehr auf die Reihe kriegt. Ganz viele Männer, mit denen ich arbeite, sind am Limit in puncto Anforderungen. Sie wissen nicht, wie sie alles unter einen Hut bringen sollen. Bei den Frauen ist die Sorge um die Gesundheit mit 54 Prozent ebenfalls am grössten. Gefolgt von der Angst, die Eigenständigkeit zu verlieren, mit 34 Prozent.
M.-L. Ernst: Frauen sind generell stärker auf Beziehungen ausgerichtet und Männer stärker auf die Arbeit. Arbeit ist für Männer absolut identitätsstiftend. Darauf basiert ein grosser Teil ihres Ichs. Wenn dieses Fundament wegfällt, kommen sehr schnell und häufig Suchtprobleme. Das sehen wir bei Erwerbslosen. Der Stress, mit der Arbeit nicht klarzukommen, ist bei den Männern momentan noch grösser als bei den Frauen. Die Frauen fühlen sich mehr belastet durch schwierige Beziehungen, sei es die Beziehung zu den Kindern, zum Mann oder zu Arbeitskolleginnen und -kollegen.
R. Setz: Die Beziehungsarbeit liegt nach wie vor bei den Frauen, unabhängig davon, wie modern das Paar ist und ob die Frau auch arbeitet. Die Frage ist, wo die Männer Sinn erfahren. Sie erfahren Sinn in der bezahlten Arbeit. Was mir wirklich auf dem Magen liegt, ist die Re-Traditionalisierung, die bei vielen Männern stattgefunden hat. Die gesellschaftlichen Veränderungen und Initiativen haben bei den Frauen einiges ins Rollen gebracht. Bei den Männern  ist wenig passiert. Die Erwerbsarbeit hat als zentrales sinnstiftendes Element sogar noch an Bedeutung gewonnen. Da müssen wir nochmals einen Schritt zurückgehen und uns überlegen, wie das gekommen ist. Welche Strategien haben versagt, wo haben wir Fehler gemacht? Da muss ein Diskurs in Gang kommen, und zwar zusammen mit den Frauen.

Wo sehen Sie Lösungsansätze?

R. Setz: Ein Blick nach Deutschland könnte helfen. Dort sind Initiativen sehr viel kraftvoller. Es gibt zum Beispiel das Programm «Neue Wege für Jungs». Wir haben auch ähnliche Programme, aber das sind so Nischengeschichten. In Deutschland werden diese Initiativen von Bundesämtern realisiert. Das hat viel mehr Kraft und Wirkung, als wenn als Absender zwei, drei Männerbüros dastehen. Dann gibt es in Deutschland eine Internetsite, die Informationen über die Männergesundheit aufbereitet. Ich finde auch das Projekt «Soziale Jungs und Männer» ganz toll. Statt immer darüber zu jammern, dass sich Männer nicht im Haushalt oder in der Freiwilligenarbeit engagieren, richtet man ein Servicebüro ein, initiiert Projekte und erarbeitet methodische Grundlagen.

Frau Ernst, wo sehen Sie Lösungen?

M.-L. Ernst: Zum einen auf der strukturellen Ebene. Wenn ein Bundesamt sagt, man wolle etwas verändern und unterstütze zum Beispiel eine gendergerechte Suchtarbeit, hat das ein ganz anderes Gewicht als eine Privatinitiative. Diese sind natürlich auch wichtig. Ich denke zum Beispiel an die Fachstelle UND, die sich um die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit kümmert. Davon sind wir allerdings noch weit entfernt. Ein Vorgesetzter meines Schwiegersohnes hat einmal gesagt, er sei stolz darauf, dass er nie Windeln gewechselt hat. Damit wollte er meinen Schwiegersohn unter Druck setzen, der sich mehr Zeit für sein Kind nehmen wollte und eine Arbeitszeitreduktion beantragte. Solche Einstellungen gegenüber Familienarbeit sind natürlich nicht förderlich und prägen das allgemein schlechte Klima für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Dazu gehören auch Themen wie Kinderbetreuung, interessante Karrieremöglichkeiten trotz Teilzeitarbeit, Job-Sharing und moderne Arbeitszeitmodelle, die es erlauben, Familie und Arbeit in eine Balance zu bringen. Zum anderen braucht es dafür eine Bewusstseinsveränderung in der Gesellschaft.  
R. Setz: Männergesundheit wird immer ziemlich rasch zu einem politisch brisanten Thema, weil es immer sehr schnell um Arbeitsbedingungen geht. Aber welche Organisation, welche Partei setzt sich wirklich dafür ein, dass sich die Arbeitsbedingungen verändern? Ich verstehe sehr gut, dass Männer oft so «bockig» auf Präventions- und Gesundheitsförderungsprogramme reagieren, weil diese häufig die persönliche Verhaltensebene ins Visier nehmen und um die wirklich wichtigen Themen wie Arbeitsbedingungen einen weiten Bogen machen. Männer fühlen sich diesbezüglich oft im Stich gelassen. Da sind wir als Fachkräfte gefordert, Mittel und Wege zu finden, Arbeit und Arbeitsbedingungen zu einem öffentlichen Thema zu machen und Alternativen aufzuzeigen.

Welche geschlechtsspezifischen Gesundheitsprobleme – abgesehen von den ganz klar biologisch zuordenbaren Krankheiten – sind aus Ihrer Sicht momentan im Brennpunkt?

M.-L. Ernst: Zunächst muss man festhalten, dass das Gesundheitsverhalten von Frauen und Männern unterschiedlich ist. Männer haben ein ausgeprägtes Risikoverhalten. Von 18 an bis ins mittlere Lebensalter leben die Männer ex­trem riskant. Stichworte sind hier schnelles Fahren, Alkohol, Drogen, Gewalt oder exzessiver Sport. Frauen leben deutlich weniger riskant. Diese Unterschiede zeigen sich in weiteren Bereichen, zum Beispiel im abweichenden Verhalten bei Jugendlichen. Die Mädchen reagieren eher depressiv, ihre Reaktion richtet sich gegen innen. Die Jungs zeigen eher nach aussen gerichtete Verhaltensweisen, was sich auch in den Kriminalitätsstatistiken niederschlägt. Der Zusammenhang von Gewalt und Gesundheit ist ein weiteres wichtiges Thema. Der Gender-Gesundheitsbericht Schweiz zeigt, dass Männer eher von ausserhäuslichen Gewalterfahrungen betroffen sind, während Frauen diese deutlich häufiger im sozialen Nahraum erleiden. Entsprechend unterschiedlich müssen Strategien zur Reduktion dieser Probleme sein.

«Ganz viele Männer, mit denen ich arbeite, sind am Limit in punkto Anforderungen. Sie wissen nicht, wie sie alles unter einen Hut kriegen sollen.»
René Setz

R. Setz: Im grossen kulturellen Kontext kann man sagen, dass Frauen mehr in den kleinen Beziehungsnetzen und Männer in den grösseren unterwegs sind. Sie wollen raus, Grenzen überschreiten. Frauen sind achtsamer. Sie haben weniger das Bedürfnis auszubrechen und können gut akzeptieren, dass es Flecken gibt, die noch nicht erforscht sind.
In der Männerarbeit sehe ich immer wieder, wie schwierig für viele Männer der Blick nach innen ist. Die Aussenorientierung ist frappant. Sie schauen sich an durch die Augen des Chefs, und wenn der nickt, fühlen sie sich gut. Oder sie schauen sich an durch die Augen der Partnerin. Wenn sie nickt, ist die Aufgabe erfüllt. Ich bin an einem Projekt für «Männer 60 plus» beteiligt. Für einige dieser Männer ist es ganz normal zu sagen: «Meine Frau hat mich geschickt.»

Wie steht es um die Selbstwahrnehmung bezüglich Gesundheit? Wie gesund fühlen sich junge und ältere Männer und Frauen?

R. Setz: Dazu gibt es eine schöne Studie der Entwicklungspsychologin Pasqualina Perrig-Chiello. Sie hat die Lebenszufriedenheit im Lebensverlauf von Frauen und Männern nachgezeichnet. In der Lebensmitte ist die Zufriedenheit am tiefsten. Das leuchtet ein, vor allem bei den Frauen. Sie sind im Spannungsfeld von pubertierenden Kindern und allenfalls schon pflegebedürftigen Eltern. Bei den Männern liegt die Krise durch die starke Arbeitsorientierung oft so um die 50. In diesem Alter merkt man, dass es beruflich nicht mehr wirklich weiter-geht, aber man doch noch 15 Jahre vor sich hat. Es wird einem bewusst, welches Leben man gelebt und nicht gelebt hat. Die Endlichkeit wird langsam spürbar. Dazu kommt der Druck der Jungen, die ganzen technologischen Veränderungen. Für viele Männer ist das alles eine grosse Herausforderung, und sie fragen sich, ob sie das überhaupt noch durchhalten bis zur Pensionierung. Die Frauen sind weniger arbeitsorientiert und haben mehr Lebenserfahrung mit Veränderungen. Sie sind schon in die Arbeitswelt eingestiegen, wegen der Kinder wieder ausgestiegen und später vielleicht wieder eingestiegen.
M.-L. Ernst: Im Gender-Gesundheitsbericht Schweiz findet man zu diesem Thema viele Hinweise. Gemäss diesem Bericht und der Schweizerischen Gesundheitsbefragung fühlen sich Frauen weniger gesund als Männer.

De facto sind die Frauen aber gesünder als die Männer.

M.-L. Ernst: Ja. Aber «krank sein» ist eben wie «Opfer sein» nur mit der weiblichen Rolle kompatibel, nicht mit der männlichen. Aus der Kinder- und Jugendforschung weiss man, dass die Zufriedenheit mit dem eigenen Körper bei den Mädchen viel tiefer ist als bei den Jungen. Daran anknüpfen lässt sich die Frage nach den Gesundheitsproblemen der Frauen. Sie unterwerfen sich einem Schönheitsideal und übernehmen sehr stark den Aussenblick, vor allem jenen der Männer. Sie bewerten sich gemäss dem Idealbild. Dieser Kampf mit dem Körper äussert sich in typisch weiblichen Krankheitsbildern wie den Essstörungen. Diese kommen bei Frauen massiv viel häufiger vor als bei Männern. Diese Krankheiten wachsen sich im Alter zwar eher aus. Aber die Schön­heitsideale wirken bis ins Alter. Man denke nur an Stars wie Jane Fonda:
x-mal geliftet, aber so dargestellt, als ob man ewig jung aussehen könne – wenn man nur genug Yoga oder Pilates macht.
R. Setz: Ja, Anti-Aging ist ein grosses Thema. Alle wollen alt werden, aber nicht alt sein. Aber noch etwas anderes: Ich finde es schade, dass sich in unserer Gesellschaft nicht mehr vom Lebensstil der Frauen durchgesetzt hat. Es scheint sich der männliche Lebensstil durchgesetzt zu haben, und der orientiert sich wie gesagt an der bezahlten Arbeit. Der männliche Lebensstil öffnet sich jetzt zunehmend auch für Frauen. Aber sie müssen dafür natürlich die Prämissen erfüllen, allen voran jene der zeitlichen Präsenz.

Vor zehn Jahren zeigten sich also Ansätze einer Männerwelt, die sich auch für Familien- und Hausarbeit zu öffnen schien. Diese Ansätze sind nun völlig verschwunden, und man trifft heute selten auf Männer, die mit Stolz sagen, sie seien Hausmann.

R. Setz: Ja, das sind eher Exoten. Das hat viel zu tun mit Wertigkeiten. Die Hausarbeit hat aus Sicht der Männer nach wie vor weniger Wert, sie ist nicht attraktiv. Für mich ist auch nicht das Entweder-oder die beste Lösung, sondern das Sowohl-als-auch. Frauen und Männer sollten in der Familienarbeit gleichermassen präsent sind.

Sie haben den Wunsch geäussert, dass sich der Bund ganz explizit für das Thema Männergesundheit stark macht. In welchen Bereichen wünschen Sie sich ein solches Commitment?

R. Setz: Ich träume von einem Projekt wie «Neue Wege für Jungs» in Deutschland. Ich würde es einfach erweitern zu «Neue Wege für Jungs und Männer». Es stimmt eben nicht, dass ewig hält, was man als junger Mensch eingeimpft bekommt. Deshalb würde ich das Programm auch für erwachsene Männer ausgestalten. Der Fokus müsste bei den Jungen und Männern sein, aber je nach Thema wäre für mich die Kooperation mit entsprechenden Frauenprojekten wichtig. Mit einem Servicebüro, Finanzen und so weiter. Und es sollten sich alle Bereiche für das andere Geschlecht öffnen, die jetzt entweder auf das eine oder an das andere Geschlecht ausgerichtet sind.

Was sind Ihre Wünsche und Hoffnungen, Frau Ernst?

M.-L. Ernst: Im Moment ist das Gender-Bewusstsein auf staatlicher und wirtschaftlicher Ebene an einem sehr kleinen Ort. Gender-Gerechte Suchtarbeit oder das Thema Gender Health verlieren an Bedeutung und an staatlicher Unterstützung. Diese Entwicklung in der Schweiz läuft entgegen jener im Ausland. In Deutschland wird zunehmend Gender Mainstreaming in Bereichen verlangt, bei denen wir noch nicht mal auf die Idee kommen, die Gender-Frage zu stellen, zum Beispiel bei der Auftragsbeschaffung. Die Situation hier in der Schweiz enttäuscht mich. Im Kleinen ist schon etwas passiert, und ein gewisses Gender-Bewusstsein ist bei den Fachleuten sicher vorhanden. Auf höchster Ebene fehlen aber ein offizielles Bekenntnis und eine Anerkennung der unterschiedlichen Problemlagen von Frauen und Männern.  
R. Setz: Themen wie Gender und Chancengleichheit kann man nicht einfach halbherzig nebenherlaufen lassen. Wenn diese Themen einem wirklich ein Anliegen sind, muss man ihnen Kraft verleihen und langfristig daran arbeiten. Gender-Fragen dürfen kein «Nice to have» sein, sie sind ein Muss.

Im Gespräch

Marie-Louise Ernst, Kaufdorf, Psycho­login FSP, lic. phil. I und Management im Nonprofit-Bereich. Sie ist Kursleiterin, Dozentin, Organisationsberaterin und Expertin zu Themen der Gesundheits­förderung und Prävention, Verfasserin sozialwissenschaftlicher Studien und Evaluationen und Beauftragte des Bundesamts für Gesundheit zur Förderung geschlechtergerechter Arbeit im Suchtbereich.

René Setz, Bern, dipl. Sozialarbeiter HFS und Fachberater Gesundheitsförderung, arbeitet als Fachberater beim Verein Forum Männergesundheit. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen bei Grundlagenarbeit Mann und Gesundheit, Projektberatung in der Arbeit mit Jungen und Männern sowie Bildungsarbeit zum Thema Männer und Gender.

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