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Nicole Bianchi

Endometriose – die stigmatisierende «Frauen»-Krankheit

Ausgabe Nr. 143
Feb. 2025
Medizin, Gesundheit und Geschlecht

Forum. Die Krankheit Endometriose ist ein eindrückliches Beispiel für die Notwendigkeit der geschlechter-spezifischen Medizin und zeigt gleichzeitig, wie die Lebensqualität von Betroffenen beeinträchtigt wird, wenn sie mit ihrer Krankheit nicht ernst genommen werden.

Die meisten von Endometriose Betroffenen entwickeln bereits mit ihrer ersten Regelblutung chronische Schmerzen. Häufig werden diese nicht ernst genommen, beziehungsweise als «normale» Regelschmerzen abgetan. Betroffene werden mitunter als Simulantinnen oder Überempfindliche abgestempelt; noch schlimmer ist dies, wenn solche Reaktionen bei sehr jungen Mädchen erfolgen. Als Betroffene wenden sie sich sich nach dieser ersten Stigmatisierung nicht mehr so rasch an Fachpersonen. Zudem wird früh das eigene Selbstbild geprägt, dass man nicht stark genug sei für «normale biologische Vorgänge».

Auswirkungen auf Sexualität und Fruchtbarkeit

Eine weitere Stigmatisierung erfolgt oft bei den Auswirkungen von Endometriose auf Sexualität und Fruchtbarkeit. So sind Schmerzen beim Geschlechtsverkehr mit Tabus und Schamgefühlen behaftet. Sich gegenüber einem Partner zu offenbaren, erfordert bereits eine sehr gute Kommunikation und eine grosse Portion Mut. Denn Endometriose ist weitgehend unbekannt. Der Partner hat womöglich noch nie davon gehört – warum soll genau seine Freundin Schmerzen beim Geschlechtsverkehr haben? Auch mögliche Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit sollten früh angesprochen werden. Die emotionale Belastung eines oftmals steinigen Kinderwunschweges ist gross, besonders wenn man damit allein gelassen wird. Hinzu kommt, dass Betroffene in der Schweiz auch finanziell auf sich alleine gestellt sind.

Nachteile im Arbeitsalltag

Wenn jemand ein neues Hüftgelenk braucht oder sich beim Skifahren am Knie verletzt, ist es selbstverständlich, dass die Person aufgrund von Schmerzen krankgeschrieben wird. Endometriose ist unsichtbar, was zu Unverständnis im beruflichen Umfeld führt. Betroffene halten die Schmerzen, die oft ans Bett fesseln, bei der Arbeit aus, statt sich krank zu melden. 

Endometriose unterstreicht Notwendigkeit der Gendermedizin

Endometriose verdeutlicht exemplarisch die Bedeutung geschlechtsspezifischer Forschung und Versorgung. Trotz der hohen Prävalenz vergehen oft Jahre bis zur korrekten Diagnose. Häufig suchen Betroffene aus Scham keine Hilfe. Dies kann wiederum Ängste und weitere Nebenwirkungen auslösen, die das (eigentliche) Krankheitsbild verschleiern können. Frauenspezifische Gesundheitsprobleme werden im medizinischen System noch immer vernachlässigt, was zu Unterdiagnostizierung führt.

Lange Zeit wurde wenig zu Endometriose geforscht – auch heute noch wird der Bedarf an Forschung unterschätzt, wie das Postulat «Strategie für die frühzeitige Erkennung von Endometriose» (23.3009) aufzeigt. 

Die komplexen Auswirkungen von Endometriose auf alle Lebensbereiche von Betroffenen erfordern einen interdisziplinären Behandlungsansatz, der körperliche und psychische Aspekte berücksichtigt. Dabei ist es wichtig, sowohl Fachpersonen als auch die Öffentlichkeit für geschlechtsspezifische Gesundheitsthemen zu sensibilisieren.

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Kontakt

Nicole Bianchi, Verein Endo-Help – Schweizerische Endometriose-Vereinigung

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