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WHO-Bewegungsstrategie lanciert

Ausgabe Nr. 111
Dez. 2015
Internationales

WHO Europa. Im September hat die WHO der Region Europa die Europäische Strategie Bewegung für Gesundheit verabschiedet – die erste Bewegungsstrategie der WHO überhaupt. Ziel ist, die Inaktivität unter der europäischen Bevölkerung bis 2025 um 10% zu reduzieren. Die Schweiz hat einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der WHO-Strategie beigetragen und ist in den fünf von der WHO definierten vorrangigen Handlungsfeldern schon seit Jahren aktiv. Was sind die Ziele der WHO und was hat sich in der Schweiz diesbezüglich schon getan? Ein Abgleich.

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hatte an der Wiener Konferenz über Ernährung und nichtübertragbare Krankheiten im Kontext von Gesundheit2020 und mit der Organisation eines Expertentreffens einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der WHO-Bewegungsstrategie geleistet. Das Expertentreffen fand Anfang dieses Jahres mit der finanziellen Unterstützung des BAG und unter dessen Vorsitz in Zürich statt. 80 Fachleute aus 47 Mitgliedsländern besprachen dabei den Entwurf der Bewegungsstrategie und brachten Verbesserungen ein.  

Die Schweiz ist schon aktiv

In der Bewegungsstrategie der WHO sind nun fünf vorrangige Handlungsfelder mit konkreten Massnahmen für die Bewegungsförderung formuliert. Diese sollen als Grundlage für die Ausarbeitung von nationalen Bewegungsstrategien dienen. In der Schweiz werden viele von der WHO geforderte Massnahmen in den fünf Handlungsfeldern bereits umgesetzt. Hier einige Beispiele:  

Handlungsfeld 1: Führungskompetenz und Koordination  

Gemäss der WHO Europa

– sollen die Regierungen Europas der Bewegungsförderung erste Priorität und dem Gesundheitssektor eine Schlüsselrolle einräumen.

– ist für die Bewegungsförderung die intersektorale Zusammenarbeit unabdingbar.

– sind nicht nur Informationen rund um ein bewegungsfreundliches Umfeld wichtig, sondern auch Regulierungen, finanzielle Anreize und eine bessere Koordination zwischen den verschiedenen Sektoralpolitiken.

– müssen die Rollen und Verantwortlichkeiten der einzelnen Akteure klar definiert und die Zusammenarbeit mit NGOs und dem Privatsektor gesucht werden.

– sollten die Mitgliedstaaten zudem internationale Kooperationen mit Netzwerken und internationalen Organisationen eingehen.  

In der Schweiz

– ist die Sicherstellung der nationalen Koordination Oberziel 1 des Nationalen Programms Ernährung und Bewegung (NPEB). Die strategische Leitung besteht aus Vertreterinnen und Vertretern des BAG, des Bundesamts für Sport (BASPO), der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) und der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz (GF CH) sowie des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV).

– pflegen das BAG und die Bundesämter für Strassen (ASTRA), Raumplanung (ARE), Umwelt (BAFU), (BASPO) Sport, Verkehr (BAV), Energie (BFE), Statistik (BFS), Landwirtschaft (BLW), Wohnungswesen (BWO) und das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) eine intersektorale Zusammenarbeit (neu: umfassende Gesundheitspolitik), um den Langsamverkehr und ein bewegungsfreundliches Umfeld zu fördern. Dies geschieht entweder über interdepartementale Arbeitsgruppen (z.B. Bundeskoordination Langsamverkehr) oder durch die Förderung von Bewegungs- und Langsamverkehrsprojekten (z.B. Dienstleistungszentrum für innovative und nachhaltige Mobilität). Das BAG möchte diese intersektorale Zusammenarbeit weiter ausbauen.

– besteht eine gute Zusammenarbeit mit den NGOs (z.B. NGO-Allianz).

– beteiligt sich der Privatsektor dank der Initiative actionsanté von BAG und BLV mit freiwilligen Massnahmen an einem bewegungsfreundlichen Umfeld.

– existiert mit HEPA Schweiz ein Zusammenschluss von Organisationen, die sich auf nationaler, kantonaler oder lokaler Ebene für die Gesundheitsförderung durch Bewegung und Sport einsetzen.

– hat das BAG verschiedene internationale Konferenzen in der Schweiz finanziell unterstützt und sich inhaltlich daran beteiligt.

– hat das BAG in Zusammenarbeit mit anderen Bundesämtern beim Aufbau des Transport, Health and Environment Pan-European Programme (THE PEP) mitgearbeitet und beteiligt sich immer noch am Erfahrungsaustausch und an der Finanzierung interessanter Projekte.  

Handlungsfeld 2: Bewegungsförderung bei Kindern und Jugendlichen  

Die WHO Europa fordert

– mehr Unterstützung punkto Bewegungsförderung bei (werdenden) Eltern und in Kindertagesstätten.

– eine angemessene Anzahl von Sportstunden in Schulen und Kindergärten.

– Vermittlung von Wissen über Bewegung und Mobilität im Sportunterricht.

– Zusammenarbeit von Bildungs-, Gesundheits- und Sportsektor zur Ausarbeitung des Lehrplans für den Sportunterricht, um allen Kindern, unabhängig ihres Trainingsstandes, die Freude an Bewegung zu vermitteln.

– Sensibilisierung aller Lehrer für die Bewegungs- und Gesundheitsförderung.

– eine Gesetzgebung, die Bewegungsförderung in Schulen und Kindergärten unterstützt.

– Subventionen, regulatorische oder steuerliche Massnahmen, die Kindern von sozioökonomisch Benachteiligten und Kindern mit Behinderungen zugutekommen.

– eine stärkere Integration von Jugendlichen in die Bewegungsförderung (z.B. Jugendverbände).  

In der Schweiz

– unterstützt GF CH im Rahmen der Kantonalen Aktionsprogramme (KAP) und eines themenspezifischen Projektförderfonds Projekte in der Bewegungsförderung von schwangeren Frauen und Müttern mit Kleinkindern (www.buggyfit.ch), in Kindertagesstätten, Kindergärten, Schulen und in der Freizeit (www.radix.ch und www.muuvit.ch).

– gibt es spezifische Projekte für Jugendliche, wie Gorilla für Freestylesport (www.gorilla.ch) und Défi Velo, in dem Studierende verschiedene Facetten des Fahrradfahrens kennenlernen können (www.defi-velo.ch).

– sind in der obligatorischen Schule mindestens drei Lektionen Sport pro Woche festgesetzt.

– ist für Lernende der zwei- bis vierjährigen beruflichen Grundbildung der regelmässige Sportunterricht an den Berufsfachschulen obligatorisch.

– bietet das BASPO im Rahmen von Jugend+Sport jährlich über 55 000 Kurse und Lager in mehr als 70 Sportarten an, die jährlich von rund 700 000 5- bis 20-Jährigen besucht werden. Zurzeit wird der J+S-Schulsport aufgebaut, der eine Brücke zwischen dem obligatorischen Sportunterricht und dem freiwilligen Vereinssport schlagen soll (www.jugendundsport.ch).

– wird mit dem nationalen Programm Schule bewegt die Bewegung in den Schulen gefördert. (www.schulebewegt.ch).  

Handlungsfeld 3: Bewegungsförderung bei Erwachsenen

Bewegungsfreundliches Umfeld

Für die Bewegungsförderung für Erwachsene schlägt die WHO Europa vor,

– durch Infrastrukturen wie Fuss- und Velowege sowie durch gesetzgeberische Massnahmen den Langsamverkehr zu fördern (Gebühren auf den motorisierten Individualverkehr, MIV, auf Verkehrsstaus und Parkplätzen).

– erschwingliche, niederschwellige und kulturell akzeptierte Bewegungsanreize und -angebote für vulnerable Gruppen zu schaffen (bewegungsfreundliche Freiräume).  

In der Schweiz

– werden auf bestimmte Autoparkplätze Gebühren erhoben. – bezweckt das Bundesgesetz über die Fuss- und Wanderwege (SR 704) Planung, Bau und Unterhalt sowie Signalisation von attraktiven, sicheren und zusammenhängenden  Fuss- und Wanderwegnetzen.

– ist das Bundesamt für Strassen (ASTRA) damit beauftragt, den Langsamverkehr als dritte gleichberechtigte Säule des Personenverkehrs neben dem MIV und dem ÖV zu etablieren.

– haben sieben Bundesämter gemeinsam den Leitfaden «Freiraumentwicklung in Agglomerationen» erarbeitet.

– werden im Rahmen des Modellvorhabens Nachhaltige Raumentwicklung Pilotprojekte unter anderem für mehr bewegungsfreundliche Freiräume in den Agglomerationen unterstützt (www.modellvorhaben.ch).

– unterstützt das BAG seit Jahren die Weiterentwicklung des Health Economic Assessment Tool (www.heatwalkingcycling.org), mit dem der ökonomische Gesundheitsnutzen der Langsamverkehrsinfrastruktur quantifiziert werden kann.

– engagiert sich das BASPO zusammen mit seinen Partnern in der Ausbildung von Personen, die Angebote im Erwachsenensport durchführen (www.erwachsenen-sport.ch). 

Bewegungsförderung am Arbeitsplatz

Für die Bewegungsförderung am Arbeitsplatz fordert die WHO Europa

– die Förderung des Langsam- oder öffentlichen Verkehrs für die Arbeitswege (Erreichbarkeit, Erschwinglichkeit und Sicherheit).

– eine adäquate Infrastruktur wie Stehpulte, Duschen oder Veloabstellplätze etc. und Bewegungsangebote wie Verbilligung auf Fitness-Abos oder hausinterne Sportangebote

– auch für vulnerable Gruppen wie Senioren.  

In der Schweiz

– haben das BAG, die SUVA und GF CH eine tripartite Zusammenarbeit im Bereich der Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz aufgebaut. Dabei werden die Kompetenzen und Ressourcen vereint, damit gemeinsam Angebote geschaffen werden, um die Gesundheit der Arbeitnehmenden zu unterstützen. Es ist vorgesehen, mit einem innovativen und globalen Ansatz zu arbeiten, der die vier Haupthandlungs-felder berücksichtigt: Bewegung, Ergonomie, Ernährung und psychische Gesundheit.

Bewegungsempfehlungen und Therapie

Gemäss WHO Europa sollen

– die Mitgliedstaaten Bewegungsempfehlungen basierend auf den WHO Global Recommendations on Physical Activity for Health erlassen.

– bei der Bewegungsförderung auch Gesundheitsfachleute mittels Ermittlung, Beratung und ärztlicher Überweisung (insbesondere bei Senioren) eine wichtige Rolle spielen.

– die Kosten für niederschwellige Sport- und Bewegungskurse durch die Krankenkassen oder das nationale Gesundheitssystem rückvergütet werden.

– die Lehrpläne der Gesundheitsberufe bezüglich der Vermittlung des gesundheitlichen Nutzens von Bewegung verbessert werden.  

In der Schweiz

– gelten die seit 2013 überarbeiteten Schweizer Bewegungsempfehlungen (www.hepa.ch).

– soll die Rolle von Hausärztinnen und Hausärzten in Bezug auf die Bewegungs förderung ihrer Patienten gestärkt und aufgewertet werden (siehe Tessiner Pilotprojekt Girasole

– integrierte Gesundheitsversorgung: www.bag.admin.ch/themen/ernaehrung_bewegung.

– ermöglicht die neue Verordnung über die Leistungen der obligatorischen Krankenversicherung die umfassende Betreuung von übergewichtigen und adipösen Kindern und damit verbundenen Krankheiten. Dies gilt sowohl für Gruppenangebote als auch für die individuelle Behandlung. 

Handlungsfeld 4: Bewegungsförderung für Senioren  

Für die WHO Europa sollen

– durch bestehende soziale Strukturen wie Gemeindezentren, NGOs etc. die Senioren, insbesondere sozioökonomisch Benachteiligte, für die Bewegungsförderung erreicht werden.

– Möglichkeiten wie erschwinglicher aktiver Tourismus geschaffen werden, um andere Senioren kennenzulernen und sich mehr zu bewegen. Dafür sollten der Gesundheit-, der Sport- und der Tourismussektor mehr zusammenarbeiten.

– die generationenübergreifenden Freiwilligeneinsätze der Senioren für die Gemeinschaft auch besser anerkannt werden.  

In der Schweiz

– setzt sich GF CH mit dem Projekt Via seit 2011 für ein selbstständiges, autonomes Leben, für Gesundheit und mehr Lebensqualität von Seniorinnen und Senioren ein. Gesundheitsförderung Schweiz beschäftigt sich mit Einflüssen auf deren Gesundheit und vermittelt dieses Wissen in Form von Empfehlungen und Umsetzungshilfen.

– berät GF CH die Partner-Kantone entsprechend bei der Umsetzung von Projekten und Programmen.

– bestehen starke Partnerschaften auch mit der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU), Pro Senectute und weiteren Fachorganisationen (www.gesundheitsfoerderung.ch/via).  

Handlungsfeld 5: Monitoring, Evaluation und Forschung  

Monitoring und Evaluation

Die WHO Europa möchte

– dass die Mitgliedstaaten die bestehenden nationalen und internationalen Beobachtungssysteme im Bewegungsbereich anpassen und ausbauen. Das WHO Global Monitoring Framework for the prevention and control of noncommunicable diseases enthält spezifische Bewegungsindikatoren und ein Bewegungsziel, zu dem sich die Mitgliedstaaten verpflichtet haben.

– die Mitgliedstaaten unterstützen, die Daten richtig zu analysieren und für evidenz-basierte Politikempfehlungen zu interpretieren. Ein gemeinsames Beobachtungsinstrument ermöglicht auch Ländervergleiche.  

In der Schweiz

– betreibt das BAG gemeinsam mit zahlreichen Partnern das Monitoring- system Ernährung und Bewegung (www.moseb.ch), das Indikatoren zum Bewegungsverhalten, welche die WHO im Global Monitoring Framework vorgibt, bereits seit Jahren erfasst.

– wird sich das BAG in Zukunft zusätzlich zur Erfassung der Prävalenz von Inaktivität bei Kindern/Jugendlichen sowie Erwachsenen noch auf weitere Bewegungsindikatoren konzentrieren. Bewegung ist zudem bei einem Indikator zur generellen Risikoeinschätzung für nichtübertragbare Krankheiten (NCD) integriert.  

Forschung

Die WHO Europa möchte

– künftige Forschungsarbeiten zu folgenden Themen: Einbindung benachteiligter Bevölkerungsgruppen in die Bewegungsförderung im gesamten Lebensverlauf, innovative Ansätze zur Bewegungsförderung bei Jugendlichen, die Rolle des sitzenden Lebensstils als eigenständiger Risikofaktor und das Verhältnis zwischen Bewegung und anderen Risikofaktoren wie unausgewogene Ernährung oder Rauchen.  

In der Schweiz

– publizierte im Mai 2014 das damalige Institut für Sozial- und Präventivmedizin (heute: Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention) der Universität Zürich eine empirische Langzeitstudie, die den Zusammenhang zwischen den vier Risikofaktoren Ernährung, Bewegung, Alkohol und Tabak sowie dem Mortalitätsrisiko aufzeigt

– existieren mit der Omnibus-Umfrage 2011 und der Schweizerischen Gesundheitsbefragung 2012 des BFS zwei repräsentative und aktuelle Datenquellen mit Angaben zum Sitzen (www.sgb12.bfs.admin.ch). Eine Studie im Auftrag des BAG wertete diese Daten aufgrund der Merkmale des sozialen Hintergrunds, des Gesundheitszustandes und des Gesundheitsverhaltens der Befragten aus (www.bag.admin.ch/auf-stehen).  

Obschon in der Schweiz bereits einiges getan wird, damit sich die Menschen mehr bewegen, wird das BAG zusammen mit seinen Partnern mit der neuen NCD-Strategie schauen, welche Bereiche ausgebaut werden. Die Bewegungsstrategie der WHO Europa ist diesbezüglich hilfreich. Ausserdem zeigt sie national und international die Wichtigkeit der Bewegungsförderung im Kampf gegen nichtübertragbare Krankheiten auf.

Risikofaktor Bewegungsmangel

Gemäss Schätzungen bewegen sich in Europa 35% der Erwachsenen zu wenig. In der EU sind es 6 von 10 Erwachsenen. Bewegungsmangel ist heute einer der zentralen Risikofaktoren für nichtübertragbare Krankheiten (NCDs) und verursacht jährlich 1 Million Tote (10% aller Todesfälle). Bewegungsmangel beeinflusst auch zu 5% die Herzkreislauferkrankungen, zu 7% Typ-2- Diabetes, 2,9% Brustkrebs und zu 10% Kolonkrebs. Aber auch wachsende Übergewichtsraten haben einen Einfluss auf die Entstehung der NCDs. In 46 Ländern (auf die 87% der Bevölkerung entfallen) der Region der WHO Europa sind mehr als 50% der Erwachsenen übergewichtig oder fettleibig. Auch hier spielt der Bewegungsmangel eine wichtige Rolle. In der Schweiz sind rund 41% der Erwachsenen und knapp 19% der Kinder und Jugendlichen zwischen 6 und 12 Jahren übergewichtig oder adipös. Die Kosten von Übergewicht und Adipositas werden auf jährlich 8 Mrd. CHF geschätzt, die Kosten der Inaktivität auf 2,5 Mrd. CHF.

Kontakt

Gisèle Jungo, Sektion Ernährung und Bewegung, gisele.jungo@bag.admin.ch

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