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Aus erster Hand

Ausgabe Nr. 96
Jan. 2013
Ethik und Public Health

Editorial Salome von Greyerz. Im Gegensatz zur Medizinethik, die sich mit ethischen Konflikten im Zusammenhang mit der Behandlung einzelner Patientinnen und Patienten befasst, geht es bei der Public-Health-Ethik um den gesamten Gesundheitsbereich. Sie dient demnach nicht der moralischen Beurteilung des Handelns von Individuen wie Ärztinnen, Ärzten oder Pflegenden, sondern der Beurteilung von Massnahmen, die Gesundheitsbehörden oder private Gesundheitsorganisationen ergreifen.

Bei der Public-Health-Ethik gelangen dieselben vier Grundprinzipien wie in der Medizinethik zur Anwendung: Das Prinzip der Autonomie verlangt, dass Individuen in Massnahmen (z.B. Impfungen) einwilligen müssen. Weiter zielt es darauf ab, dass die Eigenverantwortung (z.B. im Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung) und die informationelle Selbstbestimmung (z.B. im Umgang mit den eigenen Patientendaten) gestärkt werden. Das Prinzip des Nicht-Schadens verpflichtet uns dazu, bei Massnahmen zugunsten der Bevölkerung (z.B. Impfungen) immer auch die Gefahr von Schädigungen für Einzelne abzuwägen. Unterschiedlich interpretiert wird das Fürsorgeprinzip: Eine Position geht davon aus, dass der Staat nur bedingt zur Fürsorge verpflichtet ist und nur eingreifen darf, wenn eine Fremdgefährdung vorliegt (z.B. Rauchverbote zum Schutz vor Passivrauchen). Eine andere Position fordert eine stärkere Fürsorgeverpflichtung des Staates. Dieser soll Rahmenbedingungen schaffen, die es den Einzelnen ermöglichen, Verantwortung für ihre Gesundheit zu übernehmen. Auch das Prinzip der Gerechtigkeit stellt oft eine grosse Herausforderung dar, kann doch je nach dem zu verteilenden Gut eine Gleich- oder eine Ungleichverteilung gerecht sein. Ein Leitfaden kann hier das von John Rawls vertretene Gerechtigkeitsprinzip sein, nach welchem Güter so zu verteilen sind, dass die Schlechtestgestellten besser gestellt werden. Informationsaktivitäten sollten sich beispielsweise nicht an Personen richten, die bereits gut informiert sind, sondern an solche, deren Gesundheitskompetenz noch gestärkt werden muss.

Somit tragen auch wir die Verantwortung, unser Tun und Unterlassen nicht nur aus gesundheitspolitischer, sondern auch aus moralisch-ethischer Sicht zu beurteilen.

Salome von Greyerz, Leiterin Abteilung Gesundheitsstrategien, Bundesamt für Gesundheit

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