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Entscheiden, bevor das Leben auf der Kippe steht

Ausgabe Nr. 98
Mai. 2013
Gesundheitspolitik

Organspende. Das Bundesamt für Gesundheit ruft mit einer neuen Kampagne dazu auf, die Entscheidung pro oder kontra Organspende rechtzeitig zu kommunizieren.

Organspende ja oder nein? Tom und Olaf hätten diese Frage besser diskutiert, bevor sie in einem Auto sitzen, dessen vordere Hälfte über einem Abgrund schwebt. Tom ist im Gegensatz zu Olaf ein überzeugter Organspendebefürworter. Doch sein guter Wille wird wohl keinem mehr etwas nützen, denn er hat keine Spendekarte ausgefüllt und niemandem gesagt, dass seine Organe im Todesfall entnommen werden dürfen. Ob er dazu jemals noch kommen wird? Es sieht schlecht aus: Aus dem Auto aussteigen ist unmöglich, eine falsche Bewegung; und das Auto kippt über die Klippe.

Spot «Die Entscheidung»
Tom und Olaf sind die Protagonisten in den TV-Spots und im Kurzfilm der neuen Kampagne des Bundesamts für Gesundheit. Die Filme bringen die Hauptbotschaft auf den Punkt: «Entscheiden Sie sich für oder gegen eine Organspende. Aber warten Sie nicht zu lange. Sonst müssen Ihre Angehörigen für Sie entscheiden.» Mit der neuen Kampagne sollen die 40% «schweigende Minderheit» in Sachen Organspendeentscheid zu einer Willensäusserung ermuntert werden. Die Vorzeichen sind positiv: In einem Pretest kam das etwas surreale, aber trotzdem feinfühlige Kampagnenkonzept sehr gut an und wurde bestens verstanden. Es löst Spannung, Neugierde und ein hohes Mass an Identifikation aus. Unangenehme Gefühle, die man naturgemäss mit dem Thema Transplantation verbindet, werden in der Kampagnengeschichte abgeschwächt. Eine wichtige Voraussetzung, um den Menschen eine Auseinandersetzung zu ermöglichen und keinen Abwehrreflex zu erzeugen. Dass die neue Kampagne Wirkung zeigen wird, dafür sprechen die bisherigen Statistiken: 20 bis 30% der Schweizer Bevölkerung tragen heute eine ausgefüllte Spendekarte bei sich. Früher waren es nur 12%. Fand das medizinische Personal bis vor Kurzem nur bei 3% der potenziellen Organspender eine Spendekarte, sind es heute 16%. Ärztinnen und Ärzte stellen zudem fest, dass viele Angehörige bereits sehr gut informiert sind, wenn es zur Frage einer Organspende kommt.

Angehörige entscheiden sich meist dagegen
Dennoch: 40 Prozent der Schweizer Bevölkerung haben sich in der Organspendefrage noch nicht entschieden und viele – auch von den bereits Entschiedenen – haben ihre Entscheidung noch nicht mitgeteilt. Liegt bei einem potenziellen Spender keine eindeutige Willensäusserung vor, müssen die Angehörigen bestimmen, was mit den Organen geschieht. Eine Entscheidung, die die Trauernden häufig überfordert und die dann oft negativ ausfällt. Es sei denn, der Verstorbene hat seinen Willen anderweitig mündlich oder schriftlich mitgeteilt. Gemäss der Studie «Swiss Monitoring of Potential Donors» (SwissPOD) ist die Ablehnungsrate der Angehörigen von potenziellen Spendern hierzulande überdurchschnittlich hoch. Sie betrug zwischen September 2011 und August 2012 53 Prozent. Der europäische Durchschnitt lag bei rund 30 Prozent.

Aktionsplan für mehr Organspenden
Die Schweiz hat eine der tiefsten Organspenderaten Europas. Zurzeit stehen rund 1100 Personen auf der Warteliste für ein Spenderorgan – Tendenz steigend. Mit den jährlich ungefähr 100 Organspendern kann der Bedarf nicht gedeckt werden. Damit die Anzahl verfügbarer Organe zu Transplantationszwecken erhöht werden kann, hat der Bundesrat diesen März einen Aktionsplan «Mehr Organe für Transplantationen» lanciert. Damit soll die Zahl der jährlichen Organspenden auf rund 160 gehoben werden. Die Transplantationskampagne und die intensive Bevölkerungsinformation ist dabei nur eine Massnahme unter vielen. Denn auch beim medizinischen Personal, bei den Spendeprozessen und bei der Spendekoordination besteht Handlungsbedarf, wenn es darum geht, potenzielle Organspender zu erkennen und entsprechend zu handeln.

Kontakt

Karin Wäfler, Sektion Transplantation und Fortpflanzungsmedizin, karin.waefler@bag.admin.ch

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