Tabakkontrolle: Die Schweiz hat aufgeholt
Nov. 2011Internationales
Vergleichsstudie. Führend bei den Investitionen, schwach in den Werberestriktionen. Dies ist das Fazit einer Studie, welche die Schweizer Politik zur Tabakkontrolle aus europäischer Sicht durchleuchtete. Im Vergleich mit 30 Ländern belegt die Schweiz in punkto Tabakkontrolle den elften Platz.
Die Vereinigung der europäischen Krebsligen hat im Jahr 2010 zum dritten Mal nach 2005 und 2007 das «Tobacco Control Scale» (TCS) durchgeführt. Dabei werden die Anstrengungen zur Tabakkontrolle in 31 europäischen Ländern bewertet. Studien belegen, dass ein hoher TCS mit einer tiefen Raucherprävalenz zusammenhängt. Die Berechnung des TCS beruht auf sechs von der Weltbank formulierten Grundsätzen einer umfassenden Tabakprävention:
1. Preissteigerungen durch die Erhöhung der Tabaksteuer.
2. Rauchverbote und -einschränkungen in öffentlichen Plätzen und am Arbeitsplatz.
3. Verbesserte Konsumenteninformation (Kampagnen, Medienpräsenz, Veröffentlichung von Forschungsergebnissen).
4. Umfassende Werbe- und Promotionsverbote.
5. Grosse Warnhinweise auf allen Tabakverpackungen.
6. Behandlungsangebote für den Rauchstopp, inklusive Medikamenten.
Bei der TCS-Bewertung können total 100 Punkte erreicht werden. Im Jahr 2010 haben Grossbritannien, Irland, Norwegen, Türkei und Island die Plätze eins bis fünf belegt. Sie haben vor allem mit hohen Tabakpreisen und umfassenden Rauchverboten gepunktet. Grossbritannien (77 Punkte) hatte bereits 2007 den ersten Platz belegt. Es erreichte in allen sechs Grundsätzen eine relativ hohe Punktzahl. Einen regelrechten Senkrechtstart hat die Türkei hingelegt: 2007 noch gar nicht im Ranking, erreichte das Land mit einer traditionell hohen Raucherprävalenz auf Anhieb den vierten Rang. Dafür verantwortlich sind die europaweit grössten bildlichen Warnhinweise auf den Tabakverpackungen, umfassende Rauchverbote ohne Ausnahmen und eine Preisverdoppelung für Zigaretten innerhalb von fünf Jahren.
Schweiz macht sieben Plätze gut
Die Schweiz hat mit 48 Punkten den elften Rang erreicht und seit 2007 sieben Plätze gutgemacht. Positiv zu Buche geschlagen haben die umfassenden Rauchverbote in zahlreichen Kantonen und die Einführung von bildlichen Warnhinweisen und der Nummer der Rauchstopplinie auf allen Tabakverpackungen. Seit 2010 sind diese Elemente in der Schweiz obligatorischer Bestandteil der Tabakverpackungen. Pluspunkte sammelte die Schweiz ausserdem mit ihren Ausgaben für Massnahmen zur Einschränkung des Tabakkonsums. 2009 betrug das Gesamtbudget des Tabakpräventionsfonds rund 12 Millionen Euro. Damit gehört die Schweiz gemäss den Autoren der TCS-Studie neben Grossbritannien und Island zu den europäischen Ländern mit den höchsten – aber immer noch ungenügenden – Präventionsausgaben.
Nur zwei von zehn möglichen Punkten erhielt die Schweiz für ihre Haltung bezüglich Tabakwerbung. Zwar sind über 80% der Schweizer Bevölkerung zurzeit oder nächstens keiner Plakatwerbung für Tabakprodukte mehr ausgesetzt. Für andere Bereiche wie die Verkaufsförderung oder das Sponsoring gibt es hingegen noch praktisch keine Restriktionen. Im Rahmen der Erarbeitung eines Tabakproduktegesetzes ist vorgesehen, weitergehende Einschränkungen der Tabakwerbung vorzuschlagen (siehe Artikel zu FCTC).
Sechs Empfehlungen bis 2015
Aufgrund der Ergebnisse der TCS-Studie formulieren die Autoren sechs Empfehlungen für die kommenden vier Jahre:
– Berücksichtigung aller sechs Grundsätze der Weltbank bei der Erstellung von Programmen zur Einschränkung des Tabakkonsums.
– Steigerung der Ausgaben für Tabakkontrollmassnahmen auf mindestens 2 Euro pro Kopf und Jahr.
– Umfassende Rauchverbote in allen öffentlichen Gebäuden und Räumen sowie an sämtlichen Arbeitsplätzen – ohne Ausnahme und ohne Duldung von Raucherräumen.
– Regelmässige Erhöhungen der Tabaksteuern.
– Obligatorische grosse bildliche Warnhinweise (80% der Frontseite) und «Plain packaging» (neutrale, nur mit Markennamen versehene Verpackungen).
– Einschränkung des Einflusses der Tabakindustrie auf die Tabakpolitik (gemäss dem WHO-Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakkonsums FCTC).
Als besonders wichtig erachten die Autoren die drastische Erhöhung der Präventionsausgaben. Zwei Drittel der bewerteten Länder haben in den letzten Jahren weniger als 10 Eurocent pro Kopf und Jahr ausgegeben – Tendenz sinkend. Diese Investitionen sind weit entfernt von den geforderten 2 Euro pro Kopf. Einen weiteren Fokus setzen die Autoren bei der stetigen Erhöhung der Tabakpreise; Preissteigerungen sind nach wie vor das wirksamste Mittel zur Reduktion des Tabakkonsums.
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Kontakt
Patrick Vuillème, Stv. Leiter Sektion Tabak, patrick.vuilleme@bag.admin.ch