
Zugang zu suizidalen Methoden erschweren und Zeit gewinnen
Dez. 2022Suizidprävention
Ein zentrales Ziel der Suizidprävention ist das Reduzieren der Verfügbarkeit von suizidalen Mitteln und Methoden. Dies kann zum Beispiel durch Informations-, Sensibilisierungs- und bauliche Massnahmen gelingen. In der Umsetzung dieser Massnahmen gibt es in der Schweiz noch viel zu tun.
Suizide und Suizidversuche sind manchmal von langer Hand geplant und manchmal Spontanhandlungen. Bis zu einem Vollzug tritt typischerweise ein inneres Ringen zwischen selbsterhaltenden und selbstzerstörerischen Kräften auf. Ist die Verfügbarkeit von suizidalen Mitteln und Methoden erschwert, verschafft dies Zeit. Für die Betroffenen, um die geplante Handlung zu stoppen, und für das Umfeld, um die Situation zu erkennen und einzuschreiten. Oft suchen Menschen keine Alternative, wenn der Zugang zur gewählten Methode verhindert ist.
Rahmenbedingungen, die Suizide verhindern
Ein wichtiger Ansatzpunkt beim Erschweren des Zugangs zu suizidalen Mitteln und Methoden ist die Verhältnisprävention: Das Schaffen von Rahmenbedingungen, die die Umsetzung einer suizidalen Handlung erschweren oder gar verunmöglichen.
Eine Möglichkeit der Verhältnisprävention sind bauliche Massnahmen, etwa die Installation von Sicherheitsnetzen bei Brücken. Oft werden solche mit Massnahmen zur Sensibilisierung kombiniert. Dies können zum Beispiel Hinweistafeln bei Brücken mit Informationen zu Beratungsangeboten oder Notfallnummern sein. Auch Schienensuizide können mit baulichen Massnahmen verhindert werden. 2020 haben diese gemäss Schweizerischem Gesundheitsobservatorium Obsan 11,7 Prozent aller Suizide in der Schweiz ausgemacht.*1 In diesem Bereich kommt der SBB mit ihren rund 3000 Schienenkilometern eine wichtige Rolle zu: Seit 2013 setzt sie einen Massnahmenplan zur Prävention von Schienensuiziden um und ist auch in regem Austausch mit dem BAG im Zusammenhang mit dem Aktionsplan Suizidprävention.
Eine der bewährten Massnahmen der SBB ist der «Runde Tisch zu Schienensuiziden und Suizidprävention», der seit 2014 durchgeführt wird und dem jährlichen Austausch der unterschiedlichen Akteure in der Nähe von sogenannten Hotspots (Orten mit hoher Suiziddichte) dient. Damit soll das lokale Wissen in die Sicherung solcher Hotspots einfliessen und das gemeinsame Verständnis wird gefördert. Teilnehmende sind zum Beispiel Gemeinden, Psychiatrien, Polizei, SBB und weitere Bahnbetriebe.
Ab diesem Jahr werden bei Bauvorhaben an Hotspot-Orten und bei Bahnhöfen Anforderungen der Suizidprävention von Beginn an standardisiert berücksichtigt – beispielsweise eine ausreichende Beleuchtung bei Baustellen oder eine offene, transparente Gestaltung von Passerellen. Dafür hat die SBB zusammen mit Fachpersonen eine Anforderungs-Checkliste erarbeitet, die potenzielle Gefahren aus Sicht Suizidprävention und entsprechende Massnahmen enthält.
Rückgabe- und Einsammelaktionen verbreiten
Neben Schienensuiziden gehören auch Suizide durch Schusswaffen (18,1 % aller Suizide in der Schweiz im Jahr 2020; 24 % der Suizide bei Männern, bei Frauen 3,3 %) oder Vergiftung (13 % aller Suizide; 19,9 % bei Frauen und 10,2 % bei Männern) zu den Suizidmethoden, die mit methodenspezifischer Suizidprävention effektiv reduziert werden können. Der Aktionsplan fordert daher auch Rückgabe- und Einsammelaktionen von Schusswaffen und Medikamenten. In Bezug auf die Waffenverfügbarkeit führen bisher jedoch nur wenige Kantone regelmässig solche Aktionen durch, darunter der Kanton Zug: Dort werden seit 2008 alle drei bis vier Jahre Waffeneinsammelaktionen organisiert.
Ziele noch nicht erreicht
Der Bericht «Zwischenstand Umsetzung Nationaler Aktionsplan Suizidprävention» von Infras im Auftrag des BAG (2021) attestiert der Methodenrestriktion in der Schweiz insgesamt eine eher tiefe Zielerreichung. Zwar wurden punktuell bauliche Sicherungsmassnahmen bei Hotspots umgesetzt, jedoch nicht bei allen. Die Autorinnen und Autoren empfehlen künftig unter anderem ein kontinuierliches Monitoring bei Hotspots und eine konsequente Sicherung solcher Orte sowie die Sensibilisierung für Suizidprävention von Fachpersonen im Bauwesen. Zudem soll die Bevölkerung stärker auf die Abgabemöglichkeiten von Schusswaffen und Medikamenten sensibilisiert werden.
Für die weitere Zielerreichung und Umsetzung der Empfehlungen sind die Akteure gefragt, die im jeweiligen Zuständigkeitsbereich sind – für bauliche Massnahmen an Brücken bei Kantonsstrassen sind dies zum Beispiel die Kantone. Den Mitgliedorganisationen der Kerngruppe des Aktionsplans Suizidprävention fehlen die Ressourcen und Zuständigkeiten, um sich in den kommenden Jahren gezielt in diesem Bereich zu engagieren. Geprüft wird ein minimales Engagement für den Erfahrungsaustausch, etwa zwischen den kantonal zuständigen Departementen.
*1 Schweizerisches Gesundheitsobservatorium Obsan. Suizid und Suizidhilfe, 2022.
Links
- Methodenspezifische Suizidprävention (BAG)
- Schienensuizide auf dem Netz der SBB. Dossier zu Präventions- massnahmen, Handlungsbedarf und Empfehlungen. Schlussbe- richt, 15. August 2018
- BAG-blueprint, Praxisbeispiel Aktion Waffen einsammeln im Kanton Zug
- BAG-blueprint, Praxisbeispiel RunderTisch zu Schienensuiziden und Suizidprävention