Koordinierte Suizidprävention: ein Zusammenspiel vieler Akteure
Dez. 2022Suizidprävention
In der Schweiz engagieren sich zahlreiche Akteure auf nationaler, kantonaler und kommunaler Ebene in der Suizidprävention: NGOs, Stiftungen, Akteure aus der Wirtschaft, aus dem Gesundheits- und Sozialwesen usw. Die grosse Bandbreite an Akteuren erfordert eine verstärkte Vernetzung.
Eine erfolgreiche Suizidprävention kann nur mit dem gemeinsamen Engagement vieler Akteure gelingen. Ihr Engagement hat dazu beigetragen, dass in den letzten Jahren einige Fortschritte erzielt werden konnten. Der Handlungsbedarf bleibt dennoch hoch. Das zeigt die Ist-Analyse zum Stand Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Suizidprävention von Infras 2021 im Auftrag des BAG (siehe Leitartikel).
Mehrere Bundesämter aktiv
Auf Ebene Bund liegt die Federführung bei der Umsetzung des Aktionsplans beim BAG: Dieses unterstützt die Akteure durch Vernetzungs- und Koordinationsarbeit und durch das Erarbeiten von Wissensgrundlagen. Aber auch andere Bundesstellen leisten ihren Beitrag zur Suizidprävention: Zum Beispiel engagiert sich das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) seit Jahren in der Förderung der Medienkompetenzen von Jugendlichen und ist daher ein wichtiger Umsetzungsakteur bei der Massnahme aus dem Aktionsplan Suizidprävention «Jugendliche für einen verantwortungs- und respektvollen Umgang mit dem Internet und den digitalen Kommunikationsmitteln sensibilisieren und sie unterstützen». Oder das Staatssekretariat für Migration (SEM), das 2022 einen Bericht zur Suizidprävention in den Bundesasylzentren der Region Westschweiz veröffentlicht hat.
Kantonale Aktivitäten verstärkt
Auch viele Kantone engagieren sich in der Suizidprävention, manche explizit, manche implizit, indem sie auf die Förderung der psychischen Gesundheit fokussieren (was auch Teil des Aktionsplans Suizidprävention ist). Explizite Suizidprävention betreibt etwa der Kanton Zürich mit einem eigenständigen Programm. «Suizidprävention findet idealerweise in verschiedenen Handlungsfeldern und mit unterschiedlichen Akteuren statt», sagt Martina Blaser, Leiterin des Schwerpunktprogramms, «denn Suizide und Suizidversuche sind multikausal verursacht. Durch ein direktionsübergreifen- des kantonales Programm können diese Aufgaben gebündelt und systematisch umgesetzt werden. Das bewährt sich im Kanton Zürich seit 2015.» Von umfassender Öffentlichkeitsarbeit über Projekte zur methodenspezifischen Suizidprävention bis Fortbildungen von Fachpersonen deckt die Suizidprävention in Zürich ein breites Feld an Aktivitäten ab.
In anderen Kantonen ist die Suizidprävention mittels Leistungsvereinbarungen organisiert, zum Beispiel im Aargau, wo der Verein Suizid-Netz Aargau gezielte Informations- und Aufklärungsarbeit leistet und Angebote lanciert (unterstützt durch das Kantonale Aktionsprogramm Psychische Gesundheit). «Über mehrere Jahre hinweg konnte ein aufeinander abgestimmtes, wirkungsvolles Angebot ausgearbeitet werden», sagt Vilma Müller, Leiterin Schwerpunktprogramm Psychische Gesundheit Aargau. «Jährlich finden zwei bis drei Bildungsangebote für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren statt, beispielsweise für Schulsozialarbeitende oder die Spitex. Neu bieten wir einen E-Didaktik-Kurs ‹Reden ist Gold. Schweigen ist gefährlich› für Fachpersonen an, um Gefahren zu erkennen und einen Zugang zu betroffenen Menschen finden zu können. Für die breite Bevölkerung lancieren wir jährliche Anlässe zum Weltsuizidpräventionstag.»
Engagierte Zivilgesellschaft
Auch die Zivilgesellschaft übernimmt eine wichtige Rolle. Stop Suicide etwa, eine in der Westschweiz tätige NGO, führt Präventionsworkshops mit Jugendlichen oder Schulungen für Fachpersonen durch. «Wir sind auch in den sozialen Medien aktiv oder organisieren Sport- oder Kulturveranstaltungen zur Sensibilisierung», sagt Léonore Dupanloup, Leiterin Kommunikation und Medienprävention. «Unsere Aktionen zielen darauf ab, das Tabu um Suizid zu brechen, Selbsthilfe und Wohlwollen zu fördern und die Hilfsangebote im Bereich der psychischen Gesundheit bekannt zu machen.»
Mehr Vernetzung notwendig
In der Schweiz ist das Zusammenspiel der zahlreichen Akteure in der Suizidprävention – eine wichtige Voraussetzung für die gemeinsame Umsetzung des Aktionsplans – aufgrund von mangelnden Ressourcen, föderalistischen Strukturen und unterschiedlichen Zuständigkeiten oft herausfordernd. Die Ist-Analyse zum Stand der Umsetzung zeigt: Künftig gilt es, Kooperationen und Vernetzungen zwischen den Akteuren auszubauen und das Synergiepotenzial zwischen den vielen Angeboten besser zu nutzen.