In Erwartung einer nationalen Strategie zur Minderung der sozialen Ungleichheit
Jul. 2010Soziale Determinanten der Gesundheit
Gesundheitliche Ungleichheit Eine Studie im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit (BAG) analysiert die konkreten Massnahmen zur Verminderung der sozialen Ungleichheiten bezüglich Gesundheit in verschiedenen Schweizer Kantonen.
Die Studie, welche Philippe Lehmann, Professor bei der Waadtländer Fachhochschule für Gesundheit durchgeführt hat, durchleuchtet die Konzepte und Massnahmen zur Verminderung der als unfair und vermeidbar betrachteten gesundheitlichen Ungleichheiten in den Kantonen. Sie soll eine Grundlage darstellen für weitere Überlegungen des BAG über eine mögliche nationale Strategie und über die Rolle des Bundes in diesem Bereich.
Sozialstatuts beeinflusst Gesundheit
Die Untersuchung deckt die fünf Kantone Basel Stadt, Bern, Fribourg, Waadt und St. Gallen ab, die zusammen einem Drittel der Schweizer Bevölkerung entsprechen. Die Analyse zeigt, dass kantonale Akteure sich den gesundheitlichen Ungleichheiten sehr bewusst sind, nicht aber im Klaren über deren Ausmass und Vielfalt, sowie über die Bedeutung, die dem Sozialgradient dabei zuzuschreiben ist. Die schwächsten oder ärmsten Bevölkerungsgruppen bekommen angepasste gesundheitliche und soziale Leistungen. Massnahmen zur Armutsbekämpfung tragen zusätzlich dazu bei, Gesundheitsrisiken zu reduzieren. Auch interkulturelle Faktoren, die den Zugang zur medizinischen Versorgung bzw. zur Vorsorge erschweren, werden mit geeigneten Massnahmen gehandhabt.
Alle fünf Kantone bemühen sich um Gleichstellung, was Zugang zu kurativen Leistungen im Gesundheitswesen betrifft, streben kulturell und sozial differenzierte Gesundheitsprogramme an und setzen Massnahmen zur Vorbeugung von Armut um. Die Kantone setzten ausserdem Druck in Richtung einer Reform der Sozialversicherungen auf bundespolitischer Ebene.
Fehlende Gesamtstrategie
Die Übersicht der kantonalen Massnahmen zur Verminderung gesundheitlicher Ungleichheiten zeigt, dass diese oft daraus bestehen, einzelne Teilbereiche anzugehen, ohne jedoch vorher über eine klar konzipierte Gesamtstrategie zu verfügen. Das Fehlen eines nationalen Rahmens sowie gemeinsamer Ziele auf gesamtschweizerischer Ebene trägt zusätzlich zur Verzettelung der Massnahmen im Bereich der gesundheitlichen Ungleichheit bei. Im Gegensatz dazu haben – wie die Studie ebenfalls aufzeigt – mehrere europäische Länder, zum Teil seit Jahrzehnten schon, systematische Analysen unternommen und kohärente Strategien aufgebaut. Sie profitieren dabei auch von der breiten gegenseitigen Unterstützung, die sich aus den gemeinsamen Strategien ergibt, die von der WHO und der EU mit den jeweiligen Mitgliedstaaten entwickelt werden.
Empfehlungen an Bund und Kantone
Die Studie empfiehlt Bund und Kantonen, die sozialen Ungleichheiten bezüglich Gesundheit ausdrücklich wahrzunehmen und durch eine nationale Strategie zu mindern, welche sich auf die Bereiche Prävention und Gesundheitsförderung, Armutsbekämpfung sowie Reformen der Sozialversicherungen konzentriert. Zudem seien Strategien zur Verminderung der gesundheitlichen Ungleichheit am Arbeitsplatz zu entwickeln.
Dem BAG wird empfohlen, die europäischen Entwicklungen aktiv zu verfolgen und die Akteure der Gesundheitspolitik in der Schweiz darüber zu informieren. Gleichsam soll das BAG die Strategien und Massnahmen der Kantone näher beobachten und konsensträchtige Aspekte herausfiltern. Ausserdem sollen die verschiedenen Bundesämter enger kooperieren, um die klare Verbindung zwischen Armutsprävention und Gesundheitsförderung zu etablieren.
Den Kantonen wird nahe gelegt, ihre Bemühungen zur gesundheitlichen Ungleichheit in einer kongruenten und umfassenden Strategie zu verankern, und dazu die Ansätze aus Europa und aus den anderen Kantonen, sowie die Orientierungen des Bundes zu berücksichtigen. Namentlich bemängelt wird das Fehlen von Strategien gegen die gesundheitlichen Ungleichheiten, die aus den Arbeitsbedingungen entstehen.
Der Bericht «Inégalités sociales et santé en Suisse – Analyse des actions concrètes menées par et dans les cantons visant à diminuer les inégalités sociales face à la santé» kann bei Ph. Lehmann, HECVsanté, av. de Beaumont 21, 1011 Lausanne bestellt werden.
Kontakt
Regula Ricka, Sektion Nationale Gesundheitspolitik, regula.ricka@bag.admin.ch