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MediatorInnenarbeit: ein langer Weg zum Erfolg

Ausgabe Nr. 81
Jul. 2010
Soziale Determinanten der Gesundheit

Forum Noël Tshibangu. MediatorInnenarbeit in der HIV/Aids-Prävention ist eine Interventionsmethode gemäss dem Modell der «Peer-Education». Das heisst, dass eine soziale Intervention durch die Mitglieder der Zielgruppe dieser Intervention durchgeführt wird. MediatorInnenarbeit ist somit per Definition zielgruppenorientiert. Seit den 90er-Jahren werden in der Schweiz in verschiedenen Gesundheitsbereichen MediatorInnen eingesetzt, vor allem in MigrantInnengruppen. Dieser Ansatz hat sich im Lauf der Jahre stark gewandelt und verfeinert. In der HIV-Prävention ist die MediatorInnenarbeit längst bewährt und heute als fester Bestandteil des bestehenden Interventionsdispositivs etabliert.

Die MediatorInnenarbeit im Bereich HIV/Aids wird von der Aids-Hilfe Schweiz organisiert. Rund 65 Personen sind dabei in neun Kantonen tätig, mit einem je nach Kanton variablen Pensum von bis zu 25 Stunden im Monat. Klare Stellen- und Funktionsbeschreibungen sowie Pflichtenhefte sind heute üblich. Die Zielgruppen der Interventionen sind nach klaren Kriterien definiert, beispielsweise nach der HIV-Prävalenz in einer Gruppe und nach den Inzidenz-Zahlen in der Schweiz. Mit dem soziokulturellen Profil einer Zielgruppe wie etwa den gesprochenen Sprachen, den gängigsten Formen und Kanälen der Kommunikation, der Erreichbarkeit sowie den Formen der sozialen Organisation einer Gruppe folglich basieren auch die Interventionsmethoden und -massnahmen in der MediatorInnenarbeit.
Eine zentrale Funktion von MediatorInnen ist die Übersetzung von Botschaften und Wissen in die verschiedenen Sprachen der Zielgruppen. Damit sind nicht nur Landessprachen, sondern auch Fachsprachen oder Jargons gemeint. Also eine in der Regel bidirektionale Vermittlung zwischen Zielgruppe und Fachwelt und umgekehrt. Zur MediatorInnenarbeit gehören aber auch die Vermittlung von Kompetenzen, die Identifizierung und Aktivierung der Netzwerke sowie die Kontaktpflege zu Schlüsselpersonen und das Mitdenken und Mitorganisieren von Interventionen in einer Zielgruppe.
Der heute erfolgreichen Praxis ist eine langjährige Entwicklung vorausgegangen. Vor 20 Jahren war der Begriff der MediatorInnenarbeit offen und die Funktion von MediatorInnen wurde ganz unterschiedlich gesehen. MediatorInnen wurden vor allem als HelferInnen und UnterstützerInnen für Gesundheitsfachleute betrachtet. Sozusagen als Menschen, die im Besitz von «Kulturwissen» sind. Ein grosser Teil der MediatorInnen war freiwillig tätig und nur wenige wurden punktuell und projektbezogen entlöhnt.
Aber schon damals wurden wichtige Anliegen formuliert, die bis heute ihre Bedeutung für die MediatorInnenarbeit behalten haben. Im Tätigkeitsbericht 1993–1995 zum Migrantenprojekt des BAG ist zu lesen: «Die Aidsprävention sollte mehr und mehr von MultiplikatorInnen übernommen werden.» Und es wurde festgehalten, dass die Aus- und Weiterbildungen, ein vertraglich geregeltes Anstellungsverhältnis, eine Einbindung in die kantonalen Strukturen usw. wichtige Schritte für die Motivation und die Anerkennung der MediatorInnenarbeit sein müssen. Visionäre oder utopische Gedanken?
In der Folge zeichnete sich die Notwendigkeit einer Differenzierung zwischen MediatorInnen und MultiplikatorInnen verstärkt ab. Im darauf folgenden Tätigkeitsbericht (1995–1997) versuchten die AutorInnen eine analytische Trennung und eine theoretische Rollendifferenzierung zwischen MediatorInnen und MultiplikatorInnen.
Für die Aus- und Weiterbildungen von MediatorInnen im Bereich HIV/Aids ist seit 2004 die Aids-Hilfe Schweiz (AHS) zuständig. Die Angebote der AHS sind ein integraler Bestandteil ihres Aus- und Weiterbildungskonzepts von Fachpersonen im schweizerischen System HIV/Aids. Zu diesem Zweck hat die AHS elektronische Lernplattformen entwickelt, die seit Jahren im Einsatz sind. Nebst den Entwicklungen in der Praxis hat sich auch der Fachdiskurs im Zusammenhang mit MediatorInnenarbeit inzwischen weiterentwickelt.
Die MediatorInnenarbeit hat eine bedeutende Rolle für die Präventionsarbeit in MigrantInnengruppen in der Schweiz. Als Herausforderung bleibt jedoch die nachhaltige Finanzierung resp. der Ausbau der Finanzierung der MediatorInnenarbeit bestehen. Regelmässige Supervisionen könnten ausserdem die Angebote in diesem Bereich abrunden.

Noël Tshibangu,
Fachbereichsleiter bei der Aids-Hilfe Schweiz

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