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«Laissons de côté, par souci d’équité, les mesures inefficaces au regard des coûts, car les moyens sont insuffisants, et investissons là où cela est pertinent et juste.»

Ausgabe Nr. 80
Mai. 2010
Prävention rentiert!

5 Fragen an Philip Nielsen. Nielsen ist Psychologe und Psychotherapeut FSP in Genf und dort lokaler Verantwortlicher für die internationale Studie INCANT (INternational CAnnabis Need of Treatment) und Supervisor für Multidimensionale Familientherapie (MDFT).

Herr Nielsen, in welchem Gebiet sind Sie tätig?

Als Psychotherapeut FSP habe ich mich auf die systemische Betreuung von Suchtproblemen spezialisiert. Ich arbeite seit mehr als 20 Jahren auf diesem Gebiet, davon 6 bei der Fondation Phénix in Genf. Im Jahre 2004 haben Dr. Marina Croquette Krokar, die leitende Ärztin der Stiftung, und ich die Be­ratung für Jugendliche eröffnet. In diesem Rahmen beteiligten wir uns am INCANT-Forschungsprogramm für das Bundesamt für Gesundheit. 2006 haben wir mit einer randomisierten Studie die Wirksamkeit der Multidimensionalen Familientherapie MDFT erprobt. Die klinische Phase des Forschungsprogramms ist soeben zu Ende gegangen. Wir warten auf die letzten Follow-ups und die Auswertung der Daten. Die nationalen und internationalen Ergebnisse dürften Ende 2010 vorliegen.

Können Sie uns genauer beschreiben, was die MDFT ist?

MDFT ist eine systemische, evidenzbasierte Therapie, die vor 25 Jahren durch Prof. Howard Liddle an der Universität von Miami entwickelt wurde. Sie richtet sich an jugendliche Konsumenten von Cannabis und anderen Drogen. Sie umfasst eine kurze (4 bis 6 Monate dau­ernde), intensive (rund 2 wöchentliche Therapiesitzungen) und simultane Betreuung der Jugendlichen, ihrer Eltern, weiterer Familienmitglieder und möglicher Bezugspersonen ausserhalb der Familie. Eines der Paradigmen dieses Konzeptes ist, dass abweichendes Verhalten wie Drogenkonsum, Kriminalität und anderes Risikoverhalten während der Adoleszenz ihre Wurzeln in den Risikofaktoren dieser vier Grunddimensionen haben; beim Jugendlichen selbst, seinen Eltern, bei Familienmitgliedern und beim ausserfamiliären Umfeld.

Welche Vorteile hat MDFT gegenüber einer Standard­behandlung?

Der erste grosse Vorteil, den ich nach beinahe vier Jahren MDFT-Praxis sehe, ist der enge Zusammenhang zwischen Forschung und klinischer Praxis: Die wissenschaftlichen Kenntnisse, die mit hoher Geschwindigkeit wachsen, erweitern unser klinisches Repertoire, ohne jedoch die Kreativität des Therapeuten zu behindern. Zweitens handelt es sich um ein Team und nicht um einen Einzeltherapeuten. Das MDFT-Team besteht aus einem Supervisor, einem Therapeuten und einem therapeutischen Assistenten. Der Supervisor verfolgt jeden Fall gemeinsam mit dem Therapeuten. In der Tat hängt der Erfolg – gemäss einem für die Urheber der Methode wichtigen Leitsatz – nicht nur vom Einsatz des Therapeuten, sondern auch vom Einsatz des Supervisors ab. Der therapeutische Assistent kümmert sich, quasi als externer Erzieher, um alles, was ausserhalb der Familie liegt. Die Arbeit im Team erleichtert die Aufgabe des Therapeuten, der gelegentlich mit sehr schwierigen Situationen konfrontiert wird.

Wie ist dieser neue Behandlungsansatz von den verschiedenen betroffenen Kreisen aufgenommen worden?

Im Allgemeinen sehr gut. Wir sind bei unseren Partnern (Richtern, Schulen, Jugendschutzbehörden, usw.) einer echten Wissbegierde und einem Geist der Zusammenarbeit für das Forschungsprogramm begegnet. In der Folge hat die MDFT es ermöglicht, eine enge Partnerschaft mit dem Jugendgericht aufzubauen. Es wurde ein Protokoll für diese Zusammenarbeit ausgearbeitet, und wir haben eine spezifische Betreuung für Therapien geschaffen, die von der Justiz angeordnet worden sind. Diese haben sich, entgegen einem verbreiteten Glauben, als ebenso effizient erwiesen wie die «freiwilligen» Therapien.

Sind Fortbildungsangebote für die Einführung der MDFT in der Schweiz vorgesehen? An wen können sich interessierte Personen wenden?

In der französischen Schweiz haben mehrere Institutionen Interesse ge­zeigt, und es wird Anfang Juni im GREA (www.grea.ch) eine erste Einführung in die MDFT für Fachleute geben. Was ein mögliches (inter-)nationales Fortbildungsinstitut für die MDFT anbelangt, gibt es echte Synergien zwischen den Teams der fünf Länder, die an INCANT teilnehmen, und die ersten entsprechenden Schritte wurden bereits eingeleitet. Für uns in der Schweiz hängt die Zukunft selbstverständlich von den Endergebnissen der Forschung und von den politischen Optionen ab, die sich daraus ergeben.

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