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Organspende und Spitex-Inanspruchnahme: Analyse aus der Genderperspektive

Ausgabe Nr. 80
Mai. 2010
Prävention rentiert!

Gesundheit und Gender. Bei der Schweizerischen Gesundheitsbefragung 2007 wurden die Themen Organspendewilligkeit und Spitex-Inanspruchnahme aus der Geschlechterperspektive ausgewertet.

In der Schweiz stammen – wie auch weltweit – fast zwei Drittel der transplantierten Nieren von Frauen, während Männer fast zwei Drittel der gespendeten Organe empfangen. Während diese «Gender Imbalance» bei der Lebendspende gut dokumentiert ist, weiss man weniger über die Organspendebereitschaft im Todesfall und deren Geschlechterbezug. Die Schweizerische Gesundheitsbefragung von 2007 (SGB 2007) erlaubt  erstmals, diese Frage in der Schweizer Bevölkerung zu untersuchen.

Junge Frauen zeigen die grösste Bereitschaft zur Organspende
Die Organspendewilligkeit für den Todesfall wurde auf einer 6-stufigen Skala erfasst, wobei die höchste Stufe «trifft voll und ganz zu» bedeutet. 32% der Frauen und 27% der befragten Männer haben diese ausgeprägte Organspendebereitschaft angegeben. Für diese Männer und Frauen wurde getrennt untersucht, welche Faktoren einen Zusammenhang mit der Spendebereitschaft aufweisen. In diesen Analysen zeigt sich, dass bei Frauen – nicht aber bei Männern – ein jüngeres Alter mit einer grösseren Spendewilligkeit einhergeht. Ein grosser diskrepanter Zusammenhang zeigt sich auch für das Kontrollniveau (die Fähigkeit, das eigene Leben gestalten und kontrollieren zu können): Ein hohes Kontrollniveau geht bei Frauen mit einer höheren, bei Männern jedoch mit einer tieferen Organspendebereitschaft einher. Gegenläufig scheint der Zusammenhang auch bei allgemeinärztlichen Konsultationen: Falls Männer im Jahr vor der Befragung eine Konsultation bei einem Allgemeinarzt angeben, ist ihre Organspendewilligkeit grösser, bei Frauen hingegen kleiner. Konsultationen bei medizinischen Spezialisten scheinen die Spendebereitschaft tendenziell zu erhöhen. Bei Frauen gehen einmalige, nicht aber häufigere gynäkologische Konsultationen sowie Spitalaufenthalte ebenfalls mit einer höheren Spendebereitschaft einher. Die abfallende Spendebereitschaft bei Frauen in Bezug auf mehrmalige Konsultationen beim Gynäkologen oder Spitalaufenthalte könnte zum Beispiel auf Ängste oder mangelndes Vertrauen ins Gesundheitssystem zurückgeführt werden.

Die Organspendewilligkeit ist zudem relativ hoch bei Personen mit höherer Bildung, Personen mit höherer beruflicher Stellung, wenn keine Zugehörigkeit zu einer Religion vorliegt, und bei Personen aus der Romandie und dem Tessin. Eine schlecht eingestufte subjektive Gesundheit und eine hohe Kontaktfrequenz mit Freunden gehen ebenfalls mit einer erhöhten Organspendewilligkeit einher.

Obwohl im Zusammenhang mit der Gesetzesänderung im Juli 2007 ein Webportal eröffnet und Kampagnen rund um die Organspende durchgeführt wurden, unterschied sich die Spendebereitschaft weder vor noch nach diesem Zeitpunkt. Motivationsbemühungen im Bereich Organspende müssten vermehrt auf die deutschsprachige Schweiz und auf (jüngere) Männer ausgerichtet werden.

Geschlecht und Inanspruchnahme von Spitex
Gemäss der eigenen Statistik hat die Spitex im Jahr 2007 schweizweit rund 204 700 Personen betreut, davon deutlich mehr Frauen (68%) als Männer (32%). Bezogen auf die Gesamtbevölkerung der über 65-Jährigen, nehmen 9% der Frauen und 5% der Männer Spitex-Leistungen in Anspruch. Wird einzig das Geschlecht berücksichtigt, ergibt sich für die Frauen über 65 Jahren eine um fast 80% höhere Wahrscheinlichkeit, dass sie Spitex-Leistungen in Anspruch nehmen. Berücksichtigt man die Faktoren Alter, Bildung und Einkommen ist die Wahrscheinlichkeit noch um 59% erhöht. Wird zusätzlich der Zivilstand und der Erhalt der informellen Hilfe berücksichtigt, ist der Zusammenhang zwischen Geschlecht und Spitex-Inanspruchnahme nicht mehr signifikant. (Personen, die verheiratet sind oder in einer Partnerschaft leben, nehmen die Spitex weniger in Anspruch. Hingegen geht der Erhalt von infor­meller Hilfe, etwa durch einen Angehörigen oder Bekannten, mit einer erhöhten Spitex-Inanspruchnahme einher.) Dies bedeu­tet, dass sich der Geschlechterunterschied in der Spitex-Inanspruchnahme im Wesentlichen durch andere Faktoren – allen voran durch den Zivilstand und den Erhalt der informellen Hilfe – erklärt.

Kontakt

Ursula Stüdi, Direktionsbereich Gesundheitspolitik, ursula.stuedi@bag.admin.ch

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