Public Private Partnership: künftig auch vermehrt im Gesundheitswesen?
Mär. 2011Partnerschaft mit der Wirtschaft
Leitartikel. Staaten greifen immer mehr auf Unternehmen zurück, um die Erfüllung ihrer Aufgaben sicherzustellen und die Budgets zu entlasten. «Public Private Partnership» (PPP) nennt sich diese Form von Zusammenarbeit der öffentlichen Hand mit Privaten. Welche Chancen und Gefahren bergen solche Partnerschaften? Und welche Bedeutung hat PPP im Schweizer Gesundheitswesen?
Knapper werdende Staatsbudgets, Staatsverschuldung, Sparpakete und angestrebte Effizienzsteigerungen: Die Verwaltungen sind gezwungen, nach immer neuen Ansätzen zur Finanzierung der staatlichen Leistungen und der Effizienzsteigerung zu suchen. Seit den frühen 90er-Jahren steht aufgrund knapper werdender öffentlicher Mittel der Einbezug privater Ressourcen für die Erfüllung von Staatsaufgaben zur Diskussion. England setzte vor allem auf Privatisierung, mit nicht nur positiven Ergebnissen. Als Antwort auf die Auswüchse der Privatisierung wurde der sogenannte dritte Weg beschritten, also eine Partnerschaft zwischen Staat und Privatwirtschaft. Grundsätzlich handelt es sich bei PPP um ein Finanzierungsmodell für die Erbringung öffentlicher Leistungen. PPP sollen helfen, Staatsbudgets zu entlasten und staatliche Leistungen effizienter und günstiger als bisher bereitzustellen. Dabei geht es vorab um den Bau und den Betrieb von Infrastrukturvorhaben, etwa von Schulen, Bahnen oder Spitälern. Ein privates Unternehmen, meist eine komplex zusammengesetzte, oft internationale Projektgesellschaft, übernimmt für den Staat die Finanzierung, den Bau, den Unterhalt und allenfalls die Verwertung (Rückbau) einer Infrastrukturanlage bzw. einer Dienstleistung. Der Staat zahlt dafür eine entsprechende Gebühr, es handelt sich im Prinzip um eine Art Leasing- oder Mietsystem.
Grosse Chancen – oder noch grössere Gefahren?
Befürworter der PPP betrachten diese Form der Finanzierung als absolute Notwendigkeit für Staat und Wirtschaft. Einerseits erschliessen sich dem Staat neue Geldquellen für die Finanzierung von Staatsaufgaben sowie ein grosses Potenzial zur Effizienzsteigerung. Immer wieder wird von einem Effizienzgewinn gegenüber konventionellen Finanzierungs- und Betriebsvarianten von rund 20 % gesprochen. Da bei einer PPP der gesamte Lebenszyklus einer Investition oder einer Infrastruktureinrichtung berücksichtigt wird und ein Auftrag im Rahmen einer langen vertraglichen Bindung vergeben wird, können Wirtschaftlichkeitsüberlegungen und Evaluationen über verschiedene Teilbereiche und Phasen erstellt werden. Das kann zu kostengünstigeren, effizienteren und besseren Lösungen beitragen. Bei einer konventionellen Leistungserbringung wäre diese Gesamtschau nicht möglich. Eine Vielzahl von Amtsstellen wäre für verschiedene Aufgaben und Projektphasen zuständig. Aber nicht nur der Staat profitiert von PPP: Der Privatwirtschaft erschliesst sich durch dieses Modell ein riesiger Markt an Leistungen, die bisher von der öffentlichen Hand erbracht wurden. Eine klassische Win-Win-Situation also? Kritiker von PPP bezweifeln das. Sie misstrauen nicht nur der viel zitierten Effizienzsteigerung von 20 %. Sie befürchten auch, dass die international verwobenen Firmenkonglomerate der öffentlichen Hand schaden. Sie stellen Fragen in den Raum wie: Um welchen Preis erkauft sich die öffentliche Hand diese zusätzlichen finanziellen Mittel? Werden künftig private Unternehmen, oft internationale Konsortien, die Standards öffentlicher Dienstleistungen bestimmen? Verliert der Staat den Einfluss auf ureigene Staatsaufgaben? Erobert die Privatwirtschaft den öffentlichen Sektor? Bindet sich der Staat über Jahrzehnte an Vereinbarungen und kann sich nicht mehr oder nur mit enormen zusätzlichen Kosten daraus lösen? Wird der Staat abhängig von Beratern und der Privatwirtschaft? Nach Meinung der Gegner zahlt die öffentliche Hand, auf die gesamte Vertragsdauer gesehen, wesentlich mehr für die Infrastruktur- bzw. Dienstleistungen als bei einer konventionellen Lösung. Zum Beispiel würden private Unternehmen Bau, Betrieb und Unterhalt von Infrastrukturen nur auf den Vertragszeitraum hin gestalten und so nicht langfristig in den Erhalt der Infrastruktur investieren. Fallen die Anlagen nach Ablauf der Vertragszeit wieder an den Staat zurück, seien sie völlig heruntergewirtschaftet, und der Staat müsse ihre Sanierung übernehmen.
PPP im Schweizer Gesundheitswesen
Trotzdem: Einige Kantone haben bereits gute Erfahrungen mit PPP gemacht. Im Gesundheitswesen wurden bisher vor allem für den Spitalbereich PPP-Projekte umgesetzt. Ein Beispiel ist die Zusammenarbeit des Luzerner Kantonsspitals mit dem (privaten) Schweizerischen Paraplegiker-Zentrum in Nottwil. Beide Partner erbringen gemeinsam Leistungen im Bereich Wirbelsäulenchirurgie, Schmerzmedizin und neuromuskuläre Erkrankungen. Sie stellen damit gemeinsam die medizinische Versorgung sicher. Diese Zusammenarbeit wird in Fachkreisen oft als gelungenes Beispiel und als «erste echte PPP der Schweiz» bezeichnet. Auf Bundesebene gibt es bisher keine Beispiele für PPP-Projekte im Gesundheitswesen. Hier ist der Spielraum eingeschränkt, weil die Kompetenz für die meisten Gesundheitsprojekte bei den Kantonen liegt. In manchen Bereichen besteht auf nationaler Ebene eine Zusammenarbeit mit privaten Partnern. Das Engagement der privaten Unternehmen reicht vom kurzfristigen Einsatz temporärer Arbeitskräfte, zum Beispiel im Rahmen einer pandemischen Grippe wie der H1N1-Epidemie, bis zu langfristigen Kooperationen mit Instituten, zum Beispiel privaten Labors. Dabei handelt es sich aber weniger um PPP, sondern um den Einkauf von Leistungen, Gütern oder Dienstleistungen (Outsourcing, Leistungsverträge etc.).
Ansatzpunkte vorhanden
Einen konkreten Ansatzpunkt für eine Zusammenarbeit im Sinne von PPP gibt es im Zusammenhang mit der neuen Alkoholkampagne. Dort wird diskutiert, die Branchenunternehmen massgeblich in die Finanzierung und die Umsetzung der Kampagne einzubinden. Auch im Bereich eHealth (Informatik) sind PPP denkbar. Im Zusammenhang mit der Strategie «Migration und Gesundheit» ist derzeit die Ausschreibung für einen nationalen Telefon-Dolmetsch-Dienst im Bereich interkulturelles Übersetzen in Planung. Es geht darum, die technischen Voraussetzungen und ein Netz von Dolmetschern zur Verfügung zu stellen sowie den Betrieb dieses Dienstes sicherzustellen. PPP könnte ein mögliches Modell für die Erbringung dieser Leistungen sein. Die Idee wäre, dass das private Unternehmen den nationalen Telefon-Dolmetsch-Dienst finanziert, aufbaut und betreibt und die für das BAG erarbeitete Lösung in einem anderen Kontext wiederverwenden kann. Damit würde der Nutzen für das Unternehmen steigen, und die Investition in das Projekt wäre attraktiver.
Vorderhand ist noch kaum abzuschätzen, welche Chancen und Gefahren für das BAG bei allfälligen PPP zu erwarten sind. Doch werden in der Schweiz PPP künftig häufiger anzutreffen sein. Gemäss der revidierten Finanzhaushaltsverordnung sind die Verwaltungseinheiten angehalten, bei der Aufgabenerfüllung die Möglichkeit von längerfristigen, vertraglich geregelten PPP zu prüfen.
Kontakt
Ursula Ulrich-Vögtlin, Co-Abteilungsleiterin Multisektorale Projekte, ursula.ulrich@bag.admin.ch