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Warum in den Brandschutz investieren? – Es brennt ja gerade nicht!

Ausgabe Nr. 84
Jan. 2011
Nationale Präventionsprogramme

Forum Dr. med. Thomas Steffen. Ich sitze im Zug auf dem Weg zu einem Seminar mit Pharmaziestudierenden irgendwo an der Grenze zwischen der Deutsch- und der Westschweiz, vermutlich mitten im Röstigraben. Das Seminar wird schwierig. 200 Studierende mit den richtigen Fragen, aber haben wir die richtigen Antworten?

Warum geht es nur so langsam vorwärts mit der Prävention in der Schweiz? Könnte man die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen nicht viel einfacher und effizienter gestalten? Wann gibt es eine nachhaltige, nationale Gesundheitsstrategie in der Schweiz? Warum konnte man vor Jahrzehnten eine effiziente Impfstrategie zur Bekämpfung der Kinderlähmung aufbauen, hat aber heute grosse Mühe, die Masern mit einer einfachen Impfstrategie zu bekämpfen? Weshalb können heute viele Jugendliche einfache Fragen zu sexuell übertragbaren Krankheiten nicht richtig beantworten, vor zwanzig Jahren konnten es die meisten aber problemlos?
In der Zwischenzeit in einem sanft  renovierten Hotelzimmer angekommen – alt trifft hier problemlos neu –, denke ich, dass die moderne Prävention immer auf dem Fundament von früheren Erfahrungen aufbauen müsste. Sie müsste kontinuierlich wachsen können, aber häufig kann sie dies nicht. Programme kommen und Programme gehen. Prävention stirbt allzu oft an ihrem eigenen Erfolg. Kaum ist ein gesundheitliches Problem mittels Prävention erfolgreich angegangen worden, fragt man auch schon, ob es diese oder jene Massnahme wirklich braucht. Es brennt im Moment ja gerade nicht, warum dann noch in den Brandschutz investieren?  Auf diese Weise verkommen Präventionsmassnahmen zu blos­sen Interventionsmassnahmen in der akuten Krisenbewältigung. Zweifellos ist auch dies nützlich. Aber um eine nachhaltige Verbesserung zu erreichen, braucht es mehr gezieltes Engagement.
Moderne Präventions- und Gesundheitsförderungsstrategien gehen deshalb von einem langfristigen, an der vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Entwicklung der Menschen und der Gesellschaft orientierten Ansatz aus, mit dem in bestehende Prozesse am besten steuernd eingegriffen werden kann. Die Gesundheit wird als komplexes, sich weiterentwickelndes System wahrgenommen, weshalb die zentralen Instrumente der modernen Prozesssteuerung auch in der modernen Präventions- und Gesundheitsförderungsarbeit Einzug gehalten haben. Die Planung und Leitung moderner Gesundheitsförderungs- und Präventionsarbeit für die Bevölkerung umfasst heute eine klare Definition von Zielen, eine nachhaltige Planung, eine Umsetzung mit integrierter Prozess- und Outcome-Analyse und ein Kommunikations- und Koordinationskonzept.
Gegenwärtig ist der Entwurf für ein Bundesgesetz über Prävention und Gesundheitsförderung in den eidgenössischen Räten. Das Gesetz will unter anderem gerade diese modernen Steuerungs- und Koordinationsinstrumente zur gezielteren Prävention- und Gesundheitsförderung klar regeln. Bund, Kantone und engagierte Organisationen werden so langfristig besser zusammenarbeiten können. Projekte und Programme werden noch nachhaltiger aufgebaut werden und man wird erfolgreiche Aktivitäten langfristig erhalten können.
Und wird das alles so kommen? Ich schaue in die lebhaften Augen der Studierenden und höre mich sagen: «Wir werden das gemeinsam irgendwie schaffen!»


Dr. med. Thomas Steffen,
Leiter Gesundheitsförderung und Prävention Basel-Stadt

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