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Der lange Weg zu einem zeitgemässen Betäubungsmittelgesetz

Ausgabe Nr. 87
Jul. 2011
Männergesundheit

Drogenpolitik. Am 1. Juli 2011 treten das revidierte Betäubungsmittelgesetz (BetmG) und die dazugehörigen Verordnungen in Kraft. Damit erhält das seit zwanzig Jahren praktizierte und bewährte Vier-Säulen-Modell der Schweizer Drogenpolitik endlich eine gesetzliche Grundlage.

Das heute geltende BetmG wurde seit seinem Entstehen im Jahr 1951 erst einmal, 1975, revidiert. Zweck dieser Revision war die Erweiterung der rein repressiven Drogenpolitik auf die Bereiche Prävention und Therapie. Doch das Elend der offenen Drogenszenen und das Auftauchen von HIV und Aids erforderten bald eine weitere Neuausrichtung der Drogenpolitik. In der Praxis führte dies zur Entwicklung des inter­national anerkannten und erfolgreichen Vier-Säulen-Modells. Zur Repression, Prävention und Therapie kam die Schadensminderung hinzu. Sie hat massgeblich zur Eindämmung der Beschaffungskriminalität im Drogenmilieu, zur Senkung der Gesundheitskosten und zu einer Verbesserung der Gesundheit von Drogenabhängigen beigetragen. Dieses Modell wurde 1991 vom Bundesrat in seinem ersten Massnahmenpaket zur Verminderung der Drogenprobleme (MaPaDroI) erstmals beschrieben und 1996 im Bericht einer Expertenkommission bestätigt. Die Schweizer Bevölkerung bekräftigte ihre Zustimmung zum Vier-Säulen-Modell, indem sie zwei Volks­initiativen deutlich ablehnte, welche die restriktivere Drogenpolitik (1993, «Jugend ohne Drogen») bzw. eine liberalere Lösung (1994, «Für eine vernünftigere Drogenpolitik – Droleg») forderten.

Erfolg im zweiten Anlauf
Die geplante Teilrevision des BetmG von 2001 hatte folgende Ziele: Das Vier-Säulen-Modell sollte gesetzlich verankert und die rechtlichen Grundlagen einer heroingestützten Behandlung solltengeschaffen werden. Im Bereich des Cannabis sollte der Konsum entkriminalisiert und eine praktikable Regelung für den Anbau, die Fabrikation und den Handel eingeführt werden. 2004 scheiterte diese Teilrevision am Parlament, das die Einführung dieser liberaleren Regelung ablehnte. Die aktuelle Teilrevision des BetmG nimmt die wesentlichen Elemente des Entwurfs aus dem Jahr 2001 wieder auf. Das Parlament verabschiedete den Entwurf am 20. März 2008. Dagegen wurde das Referendum ergriffen. Die Teilrevision wurde aber mit über 68% Ja-Stimmen angenommen. Am 1. Juli 2011 treten das revidierte BetmG sowie die dazugehörigen Verordnungen nun in Kraft.

Verankerung und Ausgestaltung der Vier-Säulen-Politik
Die Revision des BetmG ist hauptsächlich auf die gesetzliche Verankerung des Vier-Säulen-Modells ausgerichtet. Die wichtigsten Neuerungen in der Ausgestaltung dieser Politik sind:
– die Meldebefugnis von bestehenden oder drohenden suchtbedingten Störungen insbesondere bei Kindern und Jugendlichen durch Amtsstellen und andere Fachleute aus dem Suchtbereich mit dem Ziel einer möglichst frühen Erkennung und Intervention (Art. 3c)
– die Aufgabe des Bundesrates, Empfehlungen über die Grundsätze zur Finanzierung von Suchttherapien und Wiedereingliederungsmassnahmen auszuarbeiten (Art. 3d Abs. 5)
– die Förderung der Aus- und Weiterbildung (Art. 3k)
– die Entwicklung von Empfehlungen zur Qualitätssicherung in den vier Säulen (3l)
– die Schaffung der gesetzlichen Grundlage der heroingestützten (diacetylmorphingestützten) Behandlung (Art. 3e Abs. 3)
– die Schaffung der rechtlichen Grundlagen für die Möglichkeit der beschränkten medizinischen Behandlung mit Cannabis (Art. 8 Abs. 5)
– die Einführung einer Meldepflicht von Ärztinnen und Ärzten bei der Verschreibung von zugelassenen Arzneimitteln für eine andere als die zugelassene Indikation («Off-Label-Use») (Art. 11 Abs. 1 und 2)

Das zugehörige Verordnungsrecht wurde neu konzipiert. Die bisherigen sechs Verordnungen und zwei Bundesratsbeschlüsse werden neu in zwei Bundesratsverordnungen (Betäubungsmittelkontrollverordnung, BetmKV, und Betäubungsmittelsuchtverordnung, BetmSV) und in der Betäubungsmittelverzeichnisverordnung des EDI (BetmVV-EDI) zusammengefasst.
In der BetmKV werden primär die Tätigkeiten von Swissmedic geregelt, insbesondere jene im Bereich der Bewilligungserteilung im Rahmen des «legalen» Umgangs mit kontrollierten Substanzen. Adressaten sind hauptsächlich Unternehmen. Die Umsetzung des BetmSV fällt in erster Linie in den Aufgabenbereich des Bundesamts für Gesundheit und richtet sich vornehmlich an Einrichtungen des Gesundheitsbereichs. Sie konkretisiert die im BetmG verankerten Grundsätze des Vier-Säulen-Modells und enthält die Bestimmungen über betäubungsmittelgestützte Behandlungen, insbesondere die gesonderten Bestimmungen über die heroingestützte (diacetylmorphingestützte) Behandlung. Die BetmVV-EDI enthält die Auflistung der kontrollierten Sub­stanzen und deren Einteilung in die Verzeichnisse a bis e. Cannabis beispielsweise wird dem Verzeichnis d, den verbotenen kontrollierten Substanzen, zugeteilt.

Kontakt

Martin Büechi, Leiter Sektion Grundlagen, martin.buechi@bag.admin.ch

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