Neue Plattform zur Förderung der Diversität in der Suchtarbeit
Jul. 2011Männergesundheit
Infodrog, die Schweizerische Koordinations- und Fachstelle Sucht, bietet eine neue nationale Austauschplattform für Suchtfachleute zum Thema «Diversität in der Suchtarbeit» an. Dabei handelt es sich um einen Ansatz, der bei der Konzeption von Suchthilfeangeboten nicht nur Migration und Gender, sondern alle Dimensionen der Suchtproblematik berücksichtigt.
Beim Diversitätsansatz (englisch: «Diversity Management») geht es um den Umgang mit der menschlichen Vielfalt. Der Begriff hat seinen Ursprung in der Gleichstellungs- und Bürgerrechtsbewegung der USA und ist heute als Konzept der Unternehmensführung verbreitet. In der Pädagogik spricht man seit einigen Jahren von der «Diversity Education» oder «Pädagogik der Vielfalt», die neben Geschlecht und Herkunft auch Merkmale wie das Alter, den sozio-ökonomischen Status oder die Ressourcenlage berücksichtigt. In Anlehnung daran geht es bei der Diversität in der Suchtarbeit um eine ganzheitliche Sichtweise im Umgang mit der Vielfalt der Klientel und der Heterogenität der Problemlagen.
Professionalisierung und Differenzierung
Die Professionalisierung der Suchtarbeit hat ein breites Suchthilfeangebot in der Schweiz hervorgebracht. Es gibt Angebote für Frauen, Männer, Jugendliche oder MigrantInnen; präventive, schadensmindernde, ambulante oder stationäre Massnahmen; abstinenz- und substitutionsorientierte sowie medizinische, sozialarbeiterische und sozialtherapeutische Arbeitsansätze. Lange wurden diese Kategorien und Ansätze klar voneinander abgegrenzt, wenn nicht sogar gegeneinander ausgespielt. In den letzten Jahren haben sich diese starren Grenzen aufgeweicht und einem umfassenderen Verständnis von Sucht Platz gemacht. Dies als Reaktion auf die Praxisrealität der Suchtarbeit, die mit einer Vervielfachung von Problematiken (z. B. neue, nicht substanzgebundene Süchte, Mehrfachabhängigkeiten) und KlientInnengruppen (Minderjährige, gut integrierte Personen, immer älter werdende Abhängige) konfrontiert ist. Viele Fälle können nicht mehr monothematisch angegangen werden. Nicht zuletzt sehen sich Institutionen auch aus wirtschaftlichen Gründen dazu gezwungen, ein zielgruppenspezifisches Angebot zugunsten einer Erweiterung auf verschiedenste Problematiken aufzugeben.
Diversität − mehr als Gender und Migration
Die Zielgruppenorientierung der letzten Jahre hat massgeblich zur Weiterentwicklung des Suchtbereichs beigetragen. Insbesondere in den Bereichen Gender und Migration haben Infodrog und das Bundesamt für Gesundheit verschiedene Projekte für den Fachbereich erfolgreich umgesetzt. Gleichzeitig wurden aber auch die Schwächen der monothematischen Bearbeitung deutlich. Mit der Fokussierung einer Zielgruppe werden andere Merkmale wie Alter oder Ressourcen zu wenig berücksichtigt. Suchthilfeeinrichtungen mit einem umfassenden Versorgungsauftrag ist es oft nicht möglich, ein auf eine Zielgruppe ausgerichtetes Angebot in den Vordergrund zu stellen. Die Fallzahlen sind meistens auch zu tief, um spezifische Angebote aufrechterhalten zu können. Tatsache bleibt jedoch, dass die Wirkung einer Intervention umso höher ist, je gezielter sie auf die Problemlage und die Ressourcen der Person eingeht. Deshalb sind individualisierte Interventionen − auch in Institutionen mit einem breiten Auftrag − weiterhin unabdingbar.
Diversitätsmodell erfordert Zusammenarbeit
Das Diversitätsmodell lässt sich in Einrichtungen mit einem umfassenden Versorgungsauftrag gut umsetzen. In kleineren, spezialisierten Institutionen ist dieser Ansatz aber kaum realisierbar. Hier sind regionale Zusammenarbeitsmodelle in Bezug auf die verschiedenen Aspekte der Diversität gefragt. Infodrog hat dazu die nationale Plattform «Diversität in der Suchtarbeit» lanciert, an der sich Suchtfachleute aus allen Bereichen und Sprachregionen zweimal jährlich zum Erfahrungsaustausch und zur Wissensvermittlung rund um das Thema «Umgang mit der Vielfalt» treffen. Nach den bisherigen einführenden Veranstaltungen liegt der Schwerpunkt künftig auf der Präsentation und Diskussion von Beispielen guter Praxis. Daneben ist die Erarbeitung von Leitlinien zum Thema geplant.
Ziel von Infodrog ist die Bekanntmachung und Verankerung des Diversitätsansatzes im Suchthilfebereich, ohne dabei die Weiterentwicklung der spezifischen Themen zu vernachlässigen. Es soll ein Beitrag zur Chancengleichheit und zur Qualitätssteigerung in der Betreuung von Personen mit Suchtproblemen geleistet werden.
Kontakt
René Stamm, Sektion Drogen, rene.stamm@bag.admin.ch
Infodrog
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3000 Bern 14
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