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Förderung des interkulturellen Übersetzens trägt Früchte

Ausgabe Nr. 83
Nov. 2010
Gesundheitsfolgenabschätzung

Migration und Gesundheit. Wenn es um die Gesundheit geht, ist es entscheidend, zu verstehen und verstanden zu werden. Fremdsprachige brauchen daher bei Beratungsgesprächen oder Arztkonsultationen nicht selten interkulturelle Übersetzung – eine Dienstleistung, die in der multikulturellen Schweiz zusehends an Bedeutung gewinnt. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) engagiert sich seit 2002 sehr aktiv in diesem Gebiet.

Bei der erfolgreichen Behandlung und Prävention von Krankheiten und Verletzungen spielen vertrauensvolle und differenzierte Gespräche eine zentrale Rolle. Wenn diese Gespräche auch mit den hierzulande lebenden Migranten und Migrantinnen gelingen sollen, ist die Anwesenheit von interkulturellen Übersetzern oder Übersetzerinnen oft unerlässlich. Interkulturelles Übersetzen unterscheidet sich vom herkömmlichen Dolmetschen darin, dass bei Bedarf auch eine kulturelle Übersetzungsleistung erbracht wird, etwa indem die am Gespräch Beteiligten auf unterschiedliche Wahrnehmungen, Wertvorstellungen und Bedeutungen aufmerksam gemacht werden.

Ungesunde Verständigungsschwierigkeiten
Zurzeit leben in der Schweiz schätzungsweise 200 000 Personen, die weder eine Landessprache noch Englisch verstehen. In der Migrationsbevölkerung, die etwa einen Fünftel der Wohnbevölkerung ausmacht, gibt es zudem eine nicht zu unterschätzende Anzahl von Personen, die zwar ein Alltagsgespräch bewältigen können, aber von komplizierteren Erläuterungen zu Gesundheitsfragen bald einmal sprachlich überfordert sind. Dies kann sich zum Beispiel bei Arztgesprächen negativ auf das Vertrauensverhältnis, die Therapietreue und schliesslich auf den Therapieerfolg auswirken. Im Alltag werden oft Angehörige (zum Teil auch Kinder) oder zufällig anwesendes Personal als Ad-hoc-Dolmetschende zugezogen. Solche improvisierten Lösungen können aufgrund mangelnder Kompetenz zu erheblichen Problemen wie Fehldiagnosen und falschen Behandlungen führen.

650 Übersetzende in 50 Sprachen
Fachleute und Behörden haben das Problem schon vor Längerem erkannt. Das BAG fördert das interkulturelle Übersetzen seit 2002. Im Rahmen des damals lancierten Nationalen Programms Migration und Gesundheit konnten bereits viele Projekte realisiert werden. Unter anderem wurde ein Kompetenzzentrum geschaffen, – derzeit geführt vom Verein Interpret –, das mit der Qualitätsentwicklung und -sicherung für das interkulturelle Übersetzen (z. B. Akkreditierung von Ausbildungsinstitutionen) betraut worden ist. Bislang sind in der Schweiz 650 Personen als interkulturelle Übersetzer und Übersetzerinnen in den 50 geläufigsten Sprachen der Migrationsbevölkerung zertifiziert worden. Sie sind an die Schweigepflicht gebunden und können – im Gegensatz zu den spontan zum Übersetzen herbeigezogenen Angehörigen – eine professionelle Qualität der Verständigung bei Arztkonsultationen oder Beratungsgesprächen gewährleisten. In der jetzigen zweiten Phase des Nationalen Programms (2008 – 2013) soll die Qualität des interkulturellen Übersetzens weiterhin gefördert werden. Eine entsprechende Berufsprüfung mit einem vom Bundesamt für Berufsbildung und Technologie anerkannten eidgenössischen Fachausweis ist bereits geschaffen worden.

Vielfältige Projekte zur Förderung des interkulturellen Übersetzens
Neben dem Kompetenzzentrum haben eine Reihe weiterer Projekte und Publikationen zur Förderung des interkulturellen Übersetzens beigetragen. Dazu gehören:
– Fachpersonen aus dem Gesundheitsbereich können via Website www.migesplus.ch Gesundheitsinformationen in mehr als 25 Sprachen beziehen, um diese in ihrem Praxisalltag an Migranten und Migrantinnen abzugeben.
– Das Handbuch «Diversität und Chancengleichheit», das im Rahmen des Projekts Migrant Friendly Hospitals entstanden ist, weist den Bedarf nach interkulturellem Übersetzen im Spitalalltag nach und macht konkrete Empfehlungen für die Umsetzung.
– Der Dokumentarfilm «Verstehen kann heilen» veranschaulicht, wie interkulturelles Übersetzen im Spitalalltag eingesetzt wird.
– Das Rechtsgutachten «Übersetzen im Gesundheitsbereich: Ansprüche und Kostentragung» belegt, dass niemandem wegen mangelnder Sprachkenntnisse eine medizinisch indizierte Behandlung vorenthalten werden darf. Zudem muss die Aufklärung zur Erreichung des «informed consent» in einer für den Patienten bzw. die Patientin verständlichen Sprache erfolgen.
– Die Vorstudie «Kosten und Nutzen des interkulturellen Übersetzens im Gesundheitswesen» skizziert, wie die Argumentation wissenschaftlich zu belegen ist, dass dank interkulturellem Übersetzen ungünstige Krankheitsverläufe und medizinische Überversorgung vermieden werden können. Die Autoren kommen zum Schluss, dass der Einsatz von geschulten Dolmetschenden Investi­tionscharakter hat: Er löst zwar kurzfristig zusätzliche Kosten im Gesundheitswesen aus, diese werden aber durch langfristige Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen, in der Wirtschaft und in der Gesellschaft aufgewogen.
Für die bessere Verständigung im Gesundheitswesen ist also schon viel getan worden – jetzt muss das Angebot nur noch besser bekannt und genutzt werden.

Publikation resümiert Forschungsergebnisse

Die Publikation «Sprachliche Brücken zur Genesung. Übersetzen im interkulturellen Gesundheitswesen der Schweiz» beleuchtet das interkulturelle Übersetzen aus qualitativer, rechtlicher und wirtschaftlicher Sicht. Sie resümiert wesentliche Erkenntnisse zum Thema und zeigt, in welchem Forschungskontext diese eingebettet sind. Die Publikation basiert auf zehn Expertenberichten und rund sechzig Artikeln aus Zeitschriften oder Sammelbänden, die bis anhin in der Schweiz zum Thema «Interkulturelle Verständigung im Gesundheitswesen» entstanden sind.

Die Publikation erscheint Ende Januar 2011 auf Deutsch und Französisch und wird via www.miges.admin.ch erhältlich sein.

Nationaler Telefondolmetschdienst

Während bei heiklen Kommunikationssituationen eine persönlich anwesende Fachkraft nötig ist, hat sich Telefondolmetschen in vielen Fällen als geeignete und effiziente Ergänzung erwiesen. Das BAG finanziert daher den Aufbau eines nationalen Telefondolmetschdienstes, der insbesondere im Gesundheitsbereich (in Spitälern, Kliniken und Ambulatorien) zum Einsatz kommen soll. Diese Dienstleistung ist als Ergänzung zum bestehenden Angebot im Face-to-face-Bereich zu verstehen.

Die öffentliche Ausschreibung zur Vergabe des Projekts «Aufbau und Führung eines Nationalen Telefondolmetschdienstes» hat bereits stattgefunden. Den Zuschlag für die Durchführung des Auftrags hat AOZ Asylorganisation Zürich Medios bekommen. Der Telefondolmetschdienst wird im Januar 2011 starten.

Weitere Informationen unter http://www.bag.admin.ch/themen/gesundheitspolitik/07685/12532/index.html?lang=de

Links

Kontakt

Michèle Baehler, Nationales Programm Migration und Gesundheit, michele.baehler@bag.admin.ch

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