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Charta zum Thema Früherkennung und Frühintervention

Ausgabe Nr. 88
Sep. 2011
Gesundheit und Kultur

An der Tagung «Früherkennung und Frühintervention bei gefährdeten Kindern und Jugendlichen» haben über 200 Fachleute aus der Deutschschweiz eine Charta entwickelt. Sie legt in neun Punkten die Haltung fest, auf deren Basis aus Sicht der Fachleute die Umsetzung von Früherkennung und Frühintervention erfolgen soll.

Die Tagung fand am 16. Juni 2011 in Olten statt und wurde von RADIX und dem Fachverband Sucht organisiert. Hier der vollständige Originaltext der «Oltner Charta Früherkennung und Frühintervention bei gefährdeten Kindern und Jugendlichen»:

Definition
Früherkennung bezeichnet das frühzeitige Wahrnehmen von Belastungen und Anzeichen einer möglicherweise beeinträchtigten psychosozialen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen durch ihre Bezugspersonen. Darauf folgt gegebenenfalls eine professionelle Einschätzung durch Fachpersonen und/oder Fachstellen. In der Frühintervention entwickeln Fachleute gemeinsam mit den als gefährdet erachteten Kindern und Jugendlichen sowie ihren Bezugspersonen unterstützende Massnahmen und setzen diese um. Früherkennung und Frühintervention zielt darauf ab, Kinder und Jugendliche in anspruchsvollen Lebenssituationen in ihrer Entwicklung und gesellschaftlichen Integration zu unterstützen.
Neben dem gemeinsamen fachlichen Verständnis für Früherkennung und Frühintervention braucht es eine gemeinsame Grundhaltung:
1. Früherkennung und Frühintervention ist dem Wohl der Betroffenen und dem Prinzip der Verhältnismässigkeit verpflichtet.
2. Früherkennung und Frühinterven­tion anerkennt das Recht der Heranwachsenden auf Anderssein und Verweigerung. Krisenhafte Phasen und inadäquate Verhaltensweisen sind grundsätzlich als normale Entwicklungsphänomene zu verstehen. Dieser Grundsatz stösst an seine Grenzen, wo physische und psychische Integrität, Gesundheit und/oder Entwicklung der Einzelnen und/oder ihres Umfelds erheblich gestört werden.
3. Jede/r Erwachsene, der/die mit Kindern und Jugendlichen zu tun hat, steht in der Verantwortung, im Rahmen seiner/ihrer professionellen Rolle einen angemessenen Beitrag zur Früherkennung und Frühinterven­tion zu leisten und diese zu reflektieren.
4. Eine wertschätzende und fördernde Beziehung zum Kind respektive Jugendlichen ist die Grundlage für Früherkennung sowie wirksamer und auf die Situation abgestimmter Frühintervention.
5. Früherkennung und Frühinterven­tion bezieht auch das für die Entwicklung des Kindes relevante soziale Umfeld in den Prozess mit ein.
6. Früherkennung und Frühinterven­tion ist eine Gemeinschaftsaufgabe und gelingt auf der Grundlage einer engagierten und verbindlichen Kooperation zwischen den verschiedenen Bezugs- und Fachpersonen. Geklärte Rollen, Zielorientierung und eine gemeinsam getragene Definition von Risiko und Gefährdung sind wichtige Erfolgsfaktoren.
7. Bezugs- und Fachpersonen achten im ganzen Prozess der Früherkennung und Frühintervention die entwicklungs- und situationsgerechte Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen und ihre Rechte. Als koordiniertes Netzwerk, welches schützt, unterstützt und Ressourcen fördert, ermöglichen sie gefährdeten Kindern und Jugendlichen, ihren eigenen Weg zu gestalten. In diesem Prozess ist die aktive Mitwirkung der Kinder und Jugendlichen zu gewinnen und eine transparente Kommunikation zu gewährleisten.
8. Die Förderung und Implementierung von Früherkennung und Frühintervention braucht einen klaren politischen Auftrag sowie finanzielle, zeitliche und personelle Ressourcen.
9. Früherkennung und Frühinterven­tion hat den Anspruch, ungünstige gesellschaftliche und strukturelle Bedingungen zu erkennen und zu benennen sowie sich für gesundheitsförderliche Rahmenbedingungen einzusetzen.

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Kontakt

Pia Oetiker, Sektion Drogen, pia.oetiker@bag.admin.ch

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