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Ganz der Vater – ganz die Mutter?

Ausgabe Nr. 88
Sep. 2011
Gesundheit und Kultur

Dritte nationale Fachtagung Sucht und Gender. Das Risiko für Kinder aus suchtbelasteten Familien, selbst an einer Suchtstörung zu erkranken, ist bis zu sechsmal höher als für Kinder aus gesunden Familien. Einen gendergerechten Umgang mit suchtmittelabhängigen Vätern, Müttern und ihren Söhnen und Töchtern kann einen Beitrag zur Durchbrechen dieser transgenerationaler Muster leisten.

Studien zeigen: Alkoholkranke Mütter leiden stärker als alkoholkranke Väter unter Scham- und Schuldgefühlen und neigen deshalb vermehrt zu «Wiedergutmachungsritualen» für ihre Kinder; Töchter beschäftigen sich deutlich intensiver mit einer Alkoholproblematik in der Familie als Söhne; Söhne scheinen sich besser von den familiären Suchtbelastungen distanzieren zu können, Töchter sind vermehrt von internalisierenden Verhaltensstörungen wie Depressionen oder Somatisierungen wie Essstörungen betroffen; Söhne hingegen zeigen vermehrt externalisierende Verhaltensauffälligkeiten wie Störungen des Sozialverhaltens oder Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörungen. Das sind nur einige der vielen genderspezifischen Belastungen, die von Suchterkrankungen ausgelöst werden.

Differenzierte Sichtweise
Unspezifische Suchtangebote für «Eltern» und «Kinder» laufen Gefahr, die Klienten und Klientinnen und deren Probleme zu verfehlen. Es ist nachgewiesen, dass gendersensible Suchtangebote die Zielgruppen besser erreichen und dass sie bessere Bedingungen für Verhaltens- und Einstellungsänderungen schaffen. Am 9. Juni 2011 fand zu diesem Thema in Biel die dritte nationale Fachtagung Sucht und Gender statt. Diese Konferenz wurde organisiert von Infodrog in Zusammenarbeit mit Marie-Louise Ernst, der Beauftragten des Bundesamtes für Gesundheit für gendergerechte Präventions- und Suchtarbeit. Ziel der Veranstaltung war es, einen gendergerechten Umgang mit suchtmittelabhängigen Vätern, Müttern und ihren Söhnen und Töchtern zu finden und einen Beitrag zum Durchbrechen transgenerationaler Muster zu leisten. In Referaten und Workshops behandelten Fachleute aus der Schweiz und aus Deutschland Fragen wie: Was geben suchtmittelabhängige Väter an ihre Söhne, was an ihre Töchter weiter und was vermitteln suchtmittelabhängige Mütter ihren Töchtern, was ihren Söhnen? Welche genderspezifischen Auswirkungen zeigen sich bei den Söhnen und welche bei den Töchtern suchtmittelabhängiger Väter und Mütter? Welche genderspezifischen Risiko- und Schutzfaktoren sind im Zusammenhang mit der Elternschaft suchtmittelabhängiger Menschen von Bedeutung für Präventions- und Interventionskonzepte?

Konsequent gendersensible Arbeit
In Ihrer Schlussrede rief Marie Louise Ernst, Beauftragte des Bundesamts für Gesundheit für die Förderung genderechter Suchtarbeit, zu einer konsequent gendergerechten Arbeit auf. Dazu gehören zum Beispiel Öffnungszeiten, die den Möglichkeiten der Betroffenen Rechnung tragen, oder Räumlichkeiten, die zeitweise oder auf Dauer nur einem Geschlecht offen stehen. Weiter forderte sie geschlechtsspezifische Einzel- und Gruppenarbeit, die Frauen und Männer, Söhne und Töchter in ihren je eigenen Ressourcen stärken. Beispiele dazu sind eine konsequente Thematisierung von Vaterschaft bei suchtkranken Männern, Fragen nach Väter- und Mütterbildern bei den Klientinnen und Klienten, das Bearbeiten und das Reduzieren von Schuld- und Schamgefühlen oder das Ansprechen von Opfererfahrungen.

Kontakt

Pia Oetiker, Sektion Drogen, pia.oetiker@bag.admin.ch

Maria Lucia Galgano, Infodrog, M.Galgano@infodrog.ch
Marie-Louise Ernst, m.l.ernst@datacomm.ch

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