Wenig Bewegung in der Schweizer Ernährungssituation
Mär. 2013Nichtübertragbare Krankheiten
6. Schweizerischer Ernährungsbericht. Herr und Frau Schweizer essen nach wie vor zu viel Süsses und Salziges und zu wenig Früchte und Gemüse – dies, obwohl sie die wichtigsten Ernährungsempfehlungen kennen. Ein zu hohes Körpergewicht ist noch immer eines der grössten Gesundheitsprobleme der Schweiz. Die Datenlage zur Schweizer Ernährungssituation ist weiterhin unzureichend. Dies sind einige der Ergebnisse des 6. Schweizerischen Ernährungsberichts, den Bundesrat Alain Berset, Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern, zusammen mit der Schweizer Ernährungsstrategie 2013–2016 am 22. Januar 2013 der Öffentlichkeit vorgestellt hat.
Die Schweizerischen Ernährungsberichte (SEB) des Bundesamts für Gesundheit (BAG) erscheinen im 7-Jahres-Rhythmus und beschreiben die Ernährungssituation in der Schweiz. Der aktuelle Bericht enthält die Kapitel «Aktuelle Ernährungsempfehlungen», «Ernährungssituation in der Schweiz», «Ernährung und Gesundheit» sowie «Ernährungsmassnahmen zur Förderung der Gesundheit». War der letzte SEB (aus dem Jahr 2005) 1000 Seiten stark, umfasst der aktuelle SEB noch 300 Seiten. Die wichtigsten Ergebnisse und Erkenntnisse lauten wie folgt:
1. Übergewicht: Stabilisierung auf hohem Niveau?
Es gibt erstmals Hinweise darauf, dass die Häufigkeit von Übergewicht und Adipositas nicht gleich stark zunimmt wie in der Vergangenheit; dies gilt sowohl für Kinder als auch für Erwachsene. Adipositas und Übergewicht sind aber nach wie vor stark verbreitet und verursachen hohe direkte und indirekte Gesundheitskosten von jährlich ca. 5,8 Milliarden Franken (Zahlen von 2006).
2. Herz-Kreislauf-Krankheiten: Adipöse stark betroffen
Herz-Kreislauf-Krankheiten sind die häufigste Todesursache in der Schweiz. 9 bis 14 Prozent aller Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauf-Krankheiten sind auf Adipositas zurückzuführen. Adipöse haben ein etwa doppelt so hohes Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Krankheit zu sterben, wie Normalgewichtige.
3. Gesunde Ernährung vermindert KrebsrisikoKrebs ist die zweithäufigste Todesursache in der Schweiz. Tabakkonsum ist einer der wichtigsten beeinflussbaren Risikofaktoren für Krebs. Auch verschiedene Ernährungsfaktoren beeinflussen das Krebsrisiko. Eine Ernährung mit viel pflanzlichen Produkten, aber wenig rotem Fleisch und Alkohol kann das Risiko, an gewissen Krebsformen zu erkranken, vermindern.
4. Ernährungsempfehlungen: Quantität und Qualität sind wichtig
Neben Mengenempfehlungen (z.B. 5 Portionen Früchte und Gemüse pro Tag) sind auch qualitative Ernährungsempfehlungen wichtig. Bei den Fetten und Ölen wird heute empfohlen, nicht nur auf die konsumierte Menge zu achten, sondern auch auf die Art des Fettes/Öls, und zum Beispiel vermehrt Raps- und Olivenöl zu konsumieren.
5. Positiver Trend beim Fettkonsum
Die qualitativen Empfehlungen bezüglich des Fettkonsums wurden in den letzten Jahren in der Schweiz zunehmend besser eingehalten. Der Verbrauch an pflanzlichen Fetten (zum Beispiel Raps- und Olivenöl) ist in den letzten 20 Jahren gestiegen und derjenige an tierischen Fetten (zum Beispiel Butter, Schweineschmalz) gesunken. Auch der Verbrauch an Fisch hat über die letzten 30 Jahre um knapp 50 Prozent zugenommen – und damit die Zufuhr an günstigen Fettsäuren.
6. Zu wenig Gemüse, Früchte und Milchprodukte
Die Empfehlungen in Bezug auf Gemüse, Früchte, Milch und Milchprodukte werden weniger eingehalten: 91 Prozent der Männer und 83 Prozent der Frauen nehmen weniger als dreimal täglich Gemüse zu sich. Das Motto «5-mal am Tag Früchte und Gemüse» setzen nur 21 Prozent der Männer und 38 Prozent der Frauen um. 90 Prozent der Schweizer Bevölkerung nehmen weniger als drei Portionen Milch oder Milchprodukte zu sich.
7. Zu viel Salz
Die durchschnittliche Salzzufuhr liegt weiterhin bei 11 Gramm (Männer) beziehungsweise 8 Gramm (Frauen) pro Person und Tag. Die Schweizer Salzstrategie zielt darauf ab, den Salzkonsum um 16 Prozent auf unter 8 Gramm und langfristig auf die von der WHO empfohlenen 5 Gramm zu senken.
8. Geringes Ernährungsbewusstsein
Knapp 30 Prozent der Schweizer Bevölkerung achten bei ihrer Ernährung laut Eigenaussage auf nichts Bestimmtes. Weiter wird der Ernährung in Bezug auf das Vorbeugen von Krankheiten beziehungsweise das Erhalten der Gesundheit nur wenig Bedeutung beigemessen.
9. Verschiedene Nährstoffmängel
Verschiedene Studien deuten darauf hin, dass die Versorgung spezifischer Bevölkerungsgruppen mit folgenden Nährstoffen nicht immer ausreichend ist: Jod, Eisen und Folsäure (Frauen im gebärfähigen Alter) sowie Vitamin D (ältere Menschen und Säuglinge).
10. Zielgruppenspezifische Interventionen
Männer, junge Menschen und sozio-ökonomisch benachteiligte Bevölkerungsgruppen haben ein unterdurchschnittliches Ernährungsbewusstsein und -wissen und sind demnach am stärksten gefährdet, an einer ernährungsabhängigen Krankheit zu erkranken. Sie sollten im Fokus zukünftiger Ernährungsinterventionen stehen. Dabei ist ein gutes Verständnis der
Zielgruppe, ihres Lebensstils und Ernährungsverhaltens die wichtigste Voraussetzung für erfolgreiche Interventionen bei den Betroffenen.
11. Lebensmittelkennzeichnung nicht optimal
Für viele Konsumenten ist die aktuelle Lebensmittelkennzeichnung zu unübersichtlich und schlecht verständlich. Ein Grund dafür sind die unterschiedlichen Kennzeichnungssysteme, die in der Schweiz parallel verwendet werden. Eine einheitliche und verständliche Nährwertkennzeichnung kann zur Orientierung im Lebensmittelangebot und zur gesunden Wahl beitragen. Gerade Menschen mit geringen Ernährungskompetenzen könnten wesentlich davon profitieren.
12. Datenlage: unzureichend und lückenhaft
Die Datenlage im Bereich der Ernährung und Gesundheit ist in der Schweiz immer noch unzureichend. Es lassen sich weder Aussagen zum individuellen Lebensmittelverzehr noch zum Versorgungsgrad einzelner Bevölkerungsgruppen mit bestimmten Nährstoffen ableiten. Auch verfügt die Schweiz zum Beispiel weder über repräsentative Zahlen zur Häufigkeit von ernährungsabhängigen Krankheiten noch zum Übergewicht bei Kindern.
Basis für nationale Strategien
Der 6. SEB bildet die Grundlage für die Schweizer Ernährungsstrategie 2013–2016 (früher Ernährungspolicy), die gleichzeitig mit dem 6. SEB veröffentlicht wird. Die sechs Handlungsfelder der Schweizer Ernährungsstrategie legen die Prioritäten und Ziele im Ernährungsbereich fest und bilden für die verschiedenen Akteure eine Grundlage für die Erarbeitung von Aktionsplänen und Massnahmen im Ernährungsbereich. Der 6. SEB beziehungsweise die Schweizer Ernährungsstrategie wirken sich auch auf die Prioritätensetzung im Nationalen Programm Ernährung und Bewegung (NPEB) des BAG aus. Das BAG wird im Rahmen des NPEB vor allem Massnahmen auf der Verhältnisebene planen und umsetzen. Die Initiative actionsanté, die Verbesserung der Lebensmittelzusammensetzung und der Ausbau der Datenlage werden weiter verfolgt. Die Massnahmen des BAG werden, wenn immer möglich, auf freiwilliger Basis und in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Interessengruppen aus Wirtschaft, Bildung usw. umgesetzt.
Wo gibt es Handlungsbedarf?
Aus Sicht der Autorinnen und Autoren des 6. SEB sind die vordringlichen Ziele zur Verbesserung der Ernährungssituation in der Schweiz die Verbesserung der Datenlage, die Überprüfung der Lebensmittelrezepturen, ein optimiertes Angebot in der Ausser-Haus-Verpflegung, eine verbesserte Lebensmittelkennzeichnung sowie die Stärkung der Gesundheits- und Ernährungskompetenzen. Dies erfordert die Zusammenarbeit diverser Akteure aus den Bereichen Ernährung, Gesundheit, Wirtschaft, Bildung und Landwirtschaft. Auf politischer Ebene ist vermehrt der multisektorale Ansatz zu verfolgen, damit Gesundheitsförderung und Prävention in allen Politikbereichen berücksichtigt werden.
Publikationen
6. Schweizerischer Ernährungsbericht (Gesamtbericht)
314 Seiten, gedruckte Ausgabe erhältlich in Deutsch, Französisch und Italienisch unter www.bundespublikationen.admin.ch und www.sge-ssn.ch/shop.
Preis: CHF 25.– zzgl. Versandkosten
Schweizer Ernährungsstrategie 2013–2016 – basierend auf den wichtigsten Erkenntnissen aus dem 6. Schweizerischen Ernährungsbericht (Broschüre) 20 Seiten, gedruckte Ausgabe kostenlos erhältlich in Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch (nur als PDF) unter www.bundespublikationen.admin.ch (solange Vorrat)
6. Schweizerischer Ernährungsbericht (Werbeflyer)
6 Seiten, gedruckte Ausgabe kostenlos erhältlich in Deutsch, Französisch und Italienisch unter www.bundespublikationen.admin.ch
Gratis-Download aller Publikationen unter www.ernährungsbericht.ch
Evaluation des 6. SEB: Ihre Meinung ist gefragt!
Der 6. Schweizerische Ernährungsbericht, die Broschüre «Schweizer Ernährungsstrategie 2013–2016» sowie der Werbeflyer werden im Frühling 2013 evaluiert. Unterstützen Sie uns dabei, das Konzept des nächsten Schweizerischen Ernährungsberichts weiter zu verbessern und die Berichte Ihren Bedürfnissen anzupassen.
Auf http://www.bag.admin.ch/themen/ernaehrung_bewegung/index.html?lang=de finden Sie den Link zur Online-Befragung. Danke für Ihre Teilnahme!
Kontakt
Andrea Renggli, Sektion Ernährungs- und Toxikologische Risiken, andrea.renggli@bag.admin.ch