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Herausforderung Sucht: Ein fruchtbarer Lernprozess

Ausgabe Nr. 82
Sep. 2010
Herausforderung Sucht

Forum François van der Linde. Die Aufgabenstellung war ambitiös: Ein Leitbild zu erstellen, das nicht nur Suchtmittel, sondern auch Verhaltensweisen mit Suchtpotenzial (z. B. Spielsucht) einbeziehen sollte. Ambitiös war auch die Arbeitsweise: Die drei bundesrätlichen Kommissionen im Suchtbereich (Alkohol, Tabak, Drogen) sollten diese Arbeit gemeinsam an die Hand nehmen. Erst recht ambitiös dann die Vorstellung, die am Schluss des Berichts formulierten Leitsätze umzusetzen. Ein erster Schritt ist gelungen: Der Bericht und die Leit­sätze liegen vor.

Das Wort «Sucht» im Titel kann falsch verstanden werden. Aber es gibt kein besseres deutsches Wort. Es geht ja nicht nur und nicht einmal in erster Linie um Sucht im herkömmlichen Sinn, sondern um individuelle und gesellschaftliche Probleme, die sich aus dem Konsum von psychoaktiven Substanzen oder aus Verhaltensweisen mit psychoaktiver Wirkung ergeben. Abhängigkeit kann, aber muss dabei nicht vorliegen.

Es geht auch um Spannungsfelder:
• auf der einen Seite um die individuelle Freiheit zum Konsum und damit allenfalls zur Selbstschädigung, aber auch um die wirtschaftliche Freiheit, Konsumgüter zu produzieren und zu verbreiten;
• auf der anderen Seite um die Rolle des Staates, über gesetzliche Erlasse regulierend einzugreifen, um negative gesundheitliche, soziale und ökonomische Folgen des Konsums in Grenzen zu halten.

Im Verlauf der Arbeiten zeigte sich, dass es bei den Expertinnen und Experten der drei Kommissionen im Grundsätzlichen eine gute Übereinstimmung gab, dass im Einzelnen aber recht grosse Unterschiede bestanden, wie an die Suchtproblematik heranzugehen sei. Alkohol-, Tabak- und Drogenpolitik waren bisher weitgehend getrennte Bereiche. Die gegenseitigen Lernprozesse, die bei der Erarbeitung des Berichts stattfanden, waren äusserst fruchtbar.

Der Bericht allein wird die Suchtpolitik nicht ändern. Es braucht jetzt einen Folgeprozess, der im Bericht mit den Stichworten Vermittlung, Vertiefung und Verankerung bezeichnet wird. So soll zuerst einmal ein notwendiges grundsätzliches Umdenken gefördert werden, das sich an den Gemeinsamkeiten orientiert, die bei allen psychoaktiven Substanzen oder Verhaltensweisen mit psychoaktiver Wirkung vorhanden sind. Hier muss das Denken in Kategorien wie «gut» und «schlecht» oder «legal» und «illegal» überwunden werden. Künftige politische Entscheidungen sollten sich zuerst am Gemeinsamen orientieren und dann, abgestimmt auf die jeweilige Problemlast, eine differenzierte Regulierung für die einzelnen Konsumformen erstellen, die ein adäquates Gleichgewicht zwischen individueller Freiheit und sozioökonomischer Problemlast sicherstellt.
Der Bericht «Herausforderung Sucht» liefert dazu die notwendigen Grundlagen.


François van der Linde,
Präsident der Steuergruppe

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