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«Heute sind die Drogenprobleme weniger dramatisch, aber komplexer»

Ausgabe Nr. 107
Dez. 2014
Nationale Strategien und Präventionsprogramme

5 Fragen an Markus Jann. Auf das Drogenelend der 80er- und 90er-Jahre reagierte die Schweiz mit einigen innovativen Ansätzen, unter anderem mit der heroingestützten Behandlung. Eingebettet wurden diese Massnahmen in die Vier-Säulen-Politik, bestehend aus Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression. Das aktuelle dritte Massnahmenpaket des Bundes zur Verminderung der Drogenprobleme (MaPaDro lll) für die Jahre 2012–2016 hat als oberstes Ziel die Verankerung und Weiterentwicklung dieser Vier-Säulen-Politik. «spectra» wollte von Markus Jann, dem Leiter der Sektion Drogen im Bundesamt für Gesundheit, mehr wissen über diesen Gesamtrahmen des drogenpolitischen Engagements des Bundes und seiner Partner.

Welche Bedeutung haben das MaPaDro und sein Aktionsplan für die Drogenpolitik?

Das MaPaDro ist ein Rahmenkonzept, das die Vier-Säulen-Drogenpolitik der Schweiz beschreibt. Der Aktionsplan zeigt auf, mit welchen Massnahmen der Bund zur Erreichung der drogenpolitischen Ziele beitragen will. Für eine wirksame Drogenpolitik braucht es ein gut abgestimmtes Zusammenspiel von Massnahmen aller vier drogenpolitischen Säulen. Das ist die Kernidee des MaPaDro.

Die Umsetzung der Drogenpolitik und des Betäubungsmittelgesetzes ist in erster Linie Sache der Kantone. Sie sind bei der Ausgestaltung ihrer Massnahmen zur Bekämpfung der Drogenproblematik frei, sofern die Massnahmen mit dem Betäubungsmittelgesetz vereinbar sind. Der Bund kann die Kantone, Gemeinden und Institutionen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben mit eigenen Massnahmen unterstützen oder Dritte damit beauftragen. Ein Schwerpunkt der Aktivitäten des Bundes liegt dabei auf der Koordination, Information und Vernetzung der drogenpolitischen Akteure von Bund, Kantonen, Gemeinden und Institutionen. Andere Schwerpunkte sind das Verfolgen und Fördern innovativer drogenpolitischer Entwicklungen in der Schweiz und weltweit.

Welche Massnahmen des Aktionsplanes stehen im Bereich Prävention im Vordergrund?

Im Bereich Prävention fokussieren wir vor allem auf zwei Ziele: die Verankerung des Themas Gesundheit im Schulwesen sowie die Früherkennung und Frühintervention (F+F) bei suchtgefährdeten Kindern und Jugendlichen. Beides sind Themen, die, wie es in der Prävention zunehmend der Regelfall ist, nicht spezifisch auf die Drogenproblematik ausgerichtet sind. Es geht also z.B. nicht darum, drogenspezifische Präventionsprogramme oder  -lektionen in den Schulen einzuführen, sondern Ziel ist, die Schule als gesundheitsförderliche und somit als suchtpräventiv wirksame Lebenswelt zu gestalten, denn gesundheitskompetente, gut gebildete und ausgebildete Kinder haben ein bedeutend geringeres Suchtrisiko. Die wichtigsten Massnahmen in diesem Zusammenhang sind die Unterstützung des Netzwerks bildung + gesundheit (b+g) sowie des Schweizerischen Netzwerks gesundheitsfördernder Schulen (SNGS). Mit dem finanziellen Engagement für die neu gegründete Stiftung éducation21 wollen wir zudem sicherstellen, dass die Anliegen des Themenbereichs Gesundheit koordiniert und nachhaltig in das Schulwesen hineingetragen werden.

Auch bei der Früherkennung und Frühintervention geht es nicht nur um Drogenkonsum. Drogenkonsum ist nur eines von vielen Symptomen einer Gesundheitsgefährdung oder einer tiefer liegenden persönlichen Problematik. Andere Symptome sind Gewalt, sexuelle Übergriffe, Vereinsamung oder Verhaltensauffälligkeiten. Gelingt es, solche Auffälligkeiten frühzeitig zu erkennen und in geeigneter Form darauf zu reagieren, verringert sich das Risiko, dass daraus Probleme entstehen, die die Gesundheit und die persönliche Entwicklung beeinträchtigen. Der Schwerpunkt unseres Engagements für F+F liegt auf der Verankerung, Koordination und Weiterentwicklung der entsprechenden Massnahmen der Kantone, Gemeinden und Schulen. An Bedeutung gewonnen haben auch Massnahmen der Früherkennung im Bereich Nightlife. Das ist der soziale Raum, in dem am meisten illegale Drogen konsumiert werden.

Welche Schwerpunkte setzen Sie in der Therapie und in der Schadensminderung?

In der Therapie hat in den letzten Jahren vor allem die ambulante Suchtberatung und -behandlung an Bedeutung gewonnen. Die Anzahl stationärer Behandlungen ist hingegen stabil geblieben. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Anzahl Opiatabhängiger, auf welche die stationäre Drogentherapie vor allem ausgerichtet ist, seit Längerem leicht rückläufig ist. Das Gleiche gilt für die Anzahl Substitutionsbehandlungen mit Methadon oder Heroin. In der ambulanten Beratung hat die Vielfalt der Anliegen der Ratsuchenden zugenommen. Neben den klassischen Themen wie dem problematischen Cannabis- oder Partydrogenkonsum gibt es zunehmend Klientinnen und Klienten, die verschiedene legale und illegale Drogen in problematischer Weise konsumieren, das Internet exzessiv nutzen oder zu pathologischem Spielen neigen. Da diese Zielgruppen oft nur schwer zu erreichen sind, setzen wir uns im Rahmen des Projektes «safe zone» für den Aufbau und die schweizweite Einführung einer koordinierten Online-Beratung mit einheitlichen Qualitätsstandards ein. Damit können wir den Wirkungsgrad der ambulanten Beratung erweitern, denn es gibt eine stark wachsende Anzahl Menschen, die eine Online-Beratung oder einen moderierten Gruppenchat einem persönlichen Beratungskontakt vorziehen.

Mit der Revision des Betäubungsmittelgesetzes konnte die Schadensminderung gesetzlich verankert werden. Die Schadensminderung ist aber nach wie vor ein zartes Pflänzchen und stösst oft auf Widerstand, weil es darum geht, die gesundheitlichen Risiken von suchtmittelabhängigen Menschen zu reduzieren, die (noch) nicht fähig sind, auf den Konsum von illegalen Drogen zu verzichten. Das wird in der Gesellschaft und der Politik immer wieder kontrovers diskutiert. Als Folge davon ist die Schadensminderung in den Kantonen und Gemeinden weniger weit entwickelt als dies gemäss der Vier-Säulen-Drogenpolitik zu wünschen ist. Dementsprechend gilt das Hauptaugenmerk des Bundes in diesem Bereich der besseren Verankerung der Schadensminderung in den Kantonen und Gemeinden.

Rückblickend gesehen: Welche grossen Entwicklungen lassen sich über die drei MaPaDro hinweg feststellen?

Im Rahmen des ersten MaPaDro wurde die Vier-Säulen-Drogenpolitik entwickelt. Zu dieser Zeit waren die Kantone und Gemeinden noch wenig aktiv in Sachen Drogenpolitik und Drogenhilfe. Das erste Massnahmenpaket diente deshalb den Kantonen und Gemeinden in erster Linie als Orientierungsrahmen für die Entwicklung ihrer eigenen drogenspezifischen Massnahmen. Da damals vor allem die grösseren Städte unter der Heroinproblematik litten, waren vor allem Kantone mit grösseren Städten aktiv. Mit dem MaPaDro II wurde dann die Verankerung der Vier-Säulen-Drogenpolitik in der ganzen Schweiz angestrebt. Das gelang weitgehend, nur in der Romandie hat die Schadensminderung nach wie vor einen schweren Stand. Da die Evaluation des MaPaDro II gezeigt hat, dass die Massnahmen grundsätzlich zielführend und wirksam waren, stand bei der Entwicklung des MaPaDro III die Weiterentwicklung und Anpassung der bewährten Massnahmen an eine sich stetig verändernde Problemlage im Vordergrund. Heute sind die Probleme weniger dramatisch als Anfang der 1990er-Jahre, also zu Zeiten des ersten MaPaDro, dafür aber komplexer. Im Vordergrund stehen heute weniger klassische Heroinabhängige als Menschen, die infolge eines problematischen Umgangs mit Suchtmitteln in ihrer persönlichen Entwicklung gefährdet sind und dabei auch für die Gesellschaft zur Belastung werden.

Welche Elemente der drei MaPaDro sollten in der zukünftigen Strategie Sucht weiterentwickelt werden?

Im Zuge der Vorbereitungsarbeiten zum MaPaDro III wurde geprüft, ob anstelle eines dritten Massnahmenpaketes Drogen nicht ein Massnahmenpaket Sucht entwickelt werden sollte. Mit Blick auf die damals gerade angelaufenen Prozesse zur Entwicklung der Nationalen Programme für Tabak und Alkohol wurde davon aber abgesehen. Da sich jedoch schon damals abzeichnete, dass über kurz oder lang eine alle Suchtformen umfassende Strategie erforderlich sein würde, wurde das MaPaDro III so konzipiert, dass es in einem weiteren Schritt zu einem Massnahmenpaket Sucht Drogen weiterentwickelt werden könnte. Die meisten Massnahmen des Aktionsplan des MaPaDro III sind nicht ausschliesslich auf illegale Drogen, sondern auf alle Suchtformen ausgerichtet. Bei der aktuell laufenden Entwicklung der Nationalen Suchtstrategie geht es denn auch primär darum, die bewährten Massnahmen der bisher getrennt geführten Programme für Alkohol, Tabak und Drogen aufeinander abzustimmen und in ein Suchtkonzept zu integrieren, das auch substanzunabhängige Suchtformen umfasst.

Kontakt

Markus Jann, Leiter Sektion Drogen, markus.jann@bag.admin.ch

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